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Presseberichte

  • Herbsttagung 2021

    Herbsttagung 2021

    top agrar online, 04.10.2021

    VLI-Herbsttagung

    Innovationen in der Landwirtschaft: Von Start-ups lernen

    Veränderte Märkte und Geschäftsmodelle in der Agrarbranche benötigen neue Führungsansätze und Innovations- sowie Gründungslogiken. Darüber diskutierten Experten vergangene Woche in Osnabrück.

    02.10.2021 von Christina Selhorst


    Start-ups der Agrarbranche liefern innovative Ideen und Verbesserungsvorschläge entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Große Unternehmen machen sich den Einfallsreichtum der Gründerszene immer häufiger zunutze. Wer in der Branche gewinnt oder verliert habe nicht mehr per se etwas mit der Größe zu tun. Auch nicht mit der Erfahrung oder der Branchensituation. Das verdeutlichte Prof. Dr. Karin Schnitker der Hochschule Osnabrück am Mittwoch auf der Herbsttagung der Verbindungstelle Landwirtschaft und Industrie (VLI) in der Deutschen Bundesstiftung für Umwelt in Osnabrück: „Garagenfirmen sind heute häufig die Gewinner“. Während langjährige, bekannte Branchenriesen, wie Nestle, Coca Cola und Tyson an der Börse starke Einbrüche hinnehmen müssen, sind im Jahr 2020 nachhaltige und innovative Unternehmen mit veränderten Geschäftsmodellen, wie Hello Fresh (+207), Dilivery Hero (+81) und Beyond Meat (+19) die Gewinner.

    „In Deutschland gibt es viele Patentanmeldungen, doch richtig rentabel sind nur wenige“, so Schnitker. In der globalen Patentstatistik lag Deutschland 2019 auf Platz 4 hinter China, USA und Japan. Wenn man sich aber die „Total Early Stage Entrepreneurial Aktivity“ aus 2020 anschaue, liege Deutschland nur auf Platz 41 von 43. „In puncto Ideenkapitalisierung und Unternehmertum können wir noch deutlich besser werden. Innovation heißt nicht gleich Neugründung.“

    Innovation heißt nicht gleich Neugründung!" - Schnitker

    Die Wachstumsraten für Start-ups werden immer stärker und schneller. Auch im Bereich Food braucht es immer weniger Zeit, um ein Unicorn zu werden. Unicorns sind sogenannte Start-ups mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar vor dem Börsengang oder einem Exit. Von 19 globalen FoodTec Startups vor 2012 brauchten 42 % länger als 10 Jahre, um ein Unicorn zu werden. Ab 2012 brauchten von 14 Start-ups 86 % nur drei Jahre.

    Eine veränderte Umwelt brauche aber auch veränderte Führungsansätze. Innovationserfolg habe mittlerweile auch etwas mit der Passgenauigkeit der Führung zu tun, betonte die Professorin in ihrem Impulsvortrag. Start-ups würden deutlich agiler arbeiten und Führungskraft wirken als Katalysator in einem selbstorganisierenden System.

    Welche Führungsansätze, Innovations- und Gründungslogiken unter diesen veränderten Kontexten erfolgreich sind, diskutierten Jacob P. Bussmann, (Co-Founder und Geschäftsführer, SeedForward GmbH), Esther Knopp und Malin Heitmeyer (Co-Founderinnen und Geschäftsführerinnen, true feed GmbH & Co. KG), Dr. Wolfgang Heinzl (Director Business Development, Lohmann & Co. AG) und Thomas Gerling (Head of Market Development, CLAAS Global Sales GmbH) auf der VLI-Herbsttagung.

    Seed Foward: Biobasierte Alternativen für die Agrarchemie

    Während immer mehr Wirkstoffe verschwinden, ist jede Neuzulassung ein Lichtblick – so wie z.B. die ökologische Beize „MaisGuard“, entwickelt vom Start-up SeedForward aus Osnabrück. Mit den Beizen will SeedForward nicht in erster Linie höhere Erträge erreichen. Eine verbesserte Wurzelbiomasse soll dafür sorgen, dass die Pflanzen vitaler sind. Das Unternehmen ist seit zwei Jahren am Markt, beschäftigt 18 Mitarbeiter und ist mit der biobasierten Saatgutbehandlung bei Mais und Getreide auf rund 140.000 ha unterwegs, davon über 90 % im konventionellen Bereich. Das besondere an der Struktur: „Wir halten noch 80 % an unserem Unternehmen. Wir sind ein Familienunternehmen und wollen auch weiter ein Familienunternehmen aufbauen“, so Bussmann. Das Start-up habe zudem gerade zwei Tochtergesellschaften gegründet: Ein Joint Venture mit der Firma Stroetmann aus Münster und ein Joint Venture mit der Firma Grimme aus Damme. Für Bussmann spielt in der Beziehung zu Gesellschaftern „Vertrauen“ eine große Rolle. Diese müsse langfristig aufgebaut werden.

    Start-ups sollten Freiräume haben. Sie brauchen aber auch die Ressourcen der älteren Strukturen, um PS auf die Straße zu kriegen.“ – Bussmann

    Feed & Meat: Firma für Edel-Hundefutter

    Malin Heitmeyer und Esther Knopp, zwei ehemalige Studentinnen der Hochschule Osnabrück, haben ein Hundefutter auf den Markt gebracht, dass 100 % der Schlachtabfälle des mittelständischen Schlachtunternehmens Steinemann verwertet. Unter dem Namen Feed & Meat vertreiben sie ihr Futter in einem Webshop. 80 % der Ware wird darüber vermarktet. Das Unternehmen und das Start-up sind Partner innerhalb derselben Holding.

    Während die beiden Frauen viel von dem mittelständischen Unternehmen lernen konnten und können, empfehlen die Gründerinnen dem Unternehmen im Gegenzug etwas flexibler und mutiger zu sein und „an die Behörden teilweise lockerer ran zugehen“. Eine weitere Erfahrung der beiden: Gründerinnen würden in der Start-up-Szene häufig noch unterschätzt.

    Um noch mehr Studenten an den Hochschulen zu motivieren, zu gründen, müsste die Kommunikation noch ausgebaut werden, so Knopp. „Viele Studenten wüssten gar nicht, was Studenten für Gründerhilfen bekommen können und was sie für Gründerpotenziale haben. Mit Hilfe der Politik müsste es da einen noch besseren Rahmen geben.

    Die Sicht von Agrarunternehmen auf Start-ups

    Dr. Wolfgang Heinzl (Director Business Development, Lohmann & Co. AG) und Thomas Gerling (Head of Market Development, CLAAS Global Sales GmbH) stellten auf der VLI-Herbsttagung vor, wie sie in ihrem Unternehmen mit Innovationen und Start-ups umgehen.

    Der Landtechnikhersteller Claas habe ein kleines Team, welches sich mit Start-ups beschäftigt, den Markt screent und interessante Projekte sucht. „Im Fokus sind meistens Start-ups, die schon erste Schritte hinter sich gebracht haben, an denen wir uns beteiligen. In unseren Grundsätzen steht, dass wir uns bei der Start-up-Auswahl nah an unserem eigenen Unternehmenszweck orientieren möchten“, so Gerling. Bei der Zusammenarbeit sei es wichtig, eine gewisse Distanz aufrechtzuerhalten. Die Start-ups müssen ihre Freiheitsgrade behalten können und nicht zu stark durch einen Gesellschafter beeinflusst werden. „Mit der Auseinandersetzung und Arbeit mit innovativen Gründern lernen wir täglich dazu. In den Schwierigkeiten, die die Start-ups zu bewältigen haben, sehen wir, wo sich Chancen auftun und wo die Hürden noch sehr hoch sind“, so der Experte weiter. Daraus entstehe eine Beurteilungskompetenz, die dem Unternehmen dann hoffentlich zum späteren Zeitpunkt zugutekommt.

    Mit der Auseinandersetzung und Arbeit mit innovativen Gründern lernen wir täglich dazu.“ - Gerling

    Die Lohmann-Gruppe ist ein Familienunternehmen in der dritten Generation. Das Kerngeschäft sei seit 90 Jahren die Geflügelspezialitäten. „Wir positionieren uns heute aber auch als ein Anbieter von hochwertigen Proteinen“, so Heinzl. Das Geschäftsfeld der alternativen Proteinquellen sei 2018 im Unternehmen etabliert worden und der Markt habe sich seitdem sehr dynamisch entwickelt. „Wir glauben trotzdem, dass wir noch lange im traditionellen Geflügelgeschäft aktiv sein werden. Wir haben uns aber auch dazu entschlossen, uns um dieses Thema zu kümmern.“ Das Unternehmen gehe dafür z.B. Vertriebspartnerschaften ein. Zudem habe das Familienunternehmen strategische Beteiligungen an Start-ups. Das Unternehmen betreibe aber nach wie vor das klassische Innovationsmanagement in der Geflügelproduktion. Auch hier arbeitet es mit Start-ups zusammen.

    „Uns war von Anfang an klar, dass wir den Start-ups nicht sagen wollen, wo es lang geht. Wir stehen mit Rat und Tat zur Verfügung, wir kennen unseren Markt. Ansonsten entwickeln sich die Start-ups unabhängig von uns.“ Für Heinzl könnten die Hochschulen junge Menschen noch mehr ermutigen, zu gründen und ihnen auch vermitteln, dass es kein Makel ist zu scheitern. Typisch Deutsch sei: „Wer scheitert, hat versagt.“ Die Amerikaner würden da ganz anders denken: „Wenn du scheiterst, schnell wieder aufstehen und was neues ausprobieren!“

    Ganz wichtig sei eine gute Vernetzung der Start-ups. Helfen soll dabei die Deutsche Gesellschaft für zukunftsorientierte Land- und Ernährungswirtschaft (German AgriFood Society). Die Organisation setzt sich für eine regenerative Landwirtschaft, eine nachhaltige Lebensmittelversorgung und den Erhalt unserer natürlichen Lebensbedingungen ein.

  • Herbsttagung 2019

    Herbsttagung 2019

    agrarzeitung / Klimaschutz:

    Landwirtschaft : Chancen proaktiv angehen

    von Dr. Angela Werner

    Freitag, 11. Oktober 2019

     

    Die Landwirtschaft spielt eine wichtige Rolle im Klimaschutz. Eine CO2-Bepreisung könnte neue Einkommenschancen eröffnen. Für Maßnahmen zur CO2-Speicherung sollte die Branche ein Preisschild entwickeln.

    Die Land- und Forstwirtschaft steht in puncto Klimaschutz vor großen Herausforderungen: Waldsterben, Klimawandel, Wetterextreme, neue Schädlinge, kluges Wassermanagement. Dem Sterben der Wälder, die wichtige CO2-Speicher sind, Einhalt zu gebieten, ist schwer. Stürme, Dürre und Borkenkäfer hätten den Wäldern massiv geschadet. „Rund 250.000 Fußballfelder müssten wiederbewaldet werden und wir wissen nicht, welche Bäume wir empfehlen sollen“, erklärte Ute Kreienmeier, Referatsleiterin beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, auf der Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) in dieser Woche in Bonn.

    Zudem brauche dies viel Zeit. Schneller reagieren könne hingegen die Landwirtschaft mit ihren vielfältigen Möglichkeiten, das Klima zu schützen und sich anzupassen, sagte der Agrarökonom Prof. Robert Finger von der ETH Zürich. Die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen nehme zu. Die Unvorhersagbarkeit werde künftig eine zentrale Rolle spielen. Anpassungen könnten nur standortspezifisch je nach Region, Kultur und Zeitperiode erfolgen, so Finger weiter.

    VLI-Herbsttagung: Klimaschutz: Landwirtschaft mit vielfältigen Chancen

     „Die Möglichkeiten der Landwirtschaft sind noch lange nicht ausgeschöpft“, erklärte Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), auf der Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) in Bonn. „Aber wir müssen uns schneller mit unseren Entscheidungen anpassen. Strukturbrüche wird es dabei geben.“ Paetow kommt es vor allem darauf an, dass Landwirte unternehmerische Entscheidungen treffen können und fordert von der Politik einen entsprechenden Rahmen.

    Die Landwirte könnten sich aber auch selbst proaktiv einmischen und an eine Klimaleistung, wie beispielsweise eine messbare Speicherung von CO2 durch Humus-Aufbau, ein „Preisschild“ hängen, erklärte Dr. Andreas Täuber vom Referat Nachhaltigkeit und Klimaschutz des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL). Denn die Speicherung habe ja einen Wert, aber dieser müsse messbar sein. Das würde zum einen neue Einkommenschancen eröffnen und sei zum anderen der Gesellschaft vermittelbar. „Denn die Gesellschaft ist bereit für Klimaschutz zu bezahlen, aber nicht für die Anpassung.“ Man müsse Klimaschutz und Anpassung der Landwirtschaft daher zusammendenken. Eine Bepreisung von CO2 berge Chancen für die Landwirtschaft, die bislang davon ausgenommen ist, so Täuber weiter.

     

    AgrarEurope:

    von Paul Krusche

    CO2-Bepreisung birgt Chancen für die Landwirtschaft

    Täuber vom Bundeslandwirtschaftsministerium sieht dadurch neue Einkommensmöglichkeiten für die Bauern - Ministerium plant Förderung der Humusbildung - DLG-Präsident Paetow will dem Klimawandel unternehmerisch begegnen - Die Rahmenbedingungen müssen stimmen - Agrarökonom Finger warnt vor steigender Wahrscheinlichkeit für gleichzeitige Extremwetterereignisse - VLI-Herbsttagung in Bonn

    BONN. Eine Bepreisung von CO2 könnte der Land- und Forstwirtschaft auch neue Einkommenschancen eröffnen. Darauf hat Dr. Andreas Täuber vom Referat Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Klimafolgen des Bundeslandwirtschaftsministeriums hingewiesen. Der Berufsstand sollte sich ein Konzept überlegen, wie mit dem neuen Thema Klima letztendlich auch ein neues Produkt auf den Markt gebracht werden könne, regte Täuber am vergangenen Donnerstag (10.10.) auf der Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) in Bonn an. Als Beispiel für seinen „unternehmerischen Ansatz“ führte der Ministeriumsvertreter den Aufbau von Humus an, mit dem eine messbare Speicherung von Kohlendioxid erreicht werden könne. Die Landwirtschaft emittiere zwar 7,3 % der deutschen Treibhausgase, habe aber zugleich über Landnutzung und den Effekt der Bioenergie die Möglichkeit, Kohlenstoff zu speichern. „Warum sollte das nicht einen Wert bekommen, den die Gesellschaft auch bereit ist, zu zahlen“, so Täuber. Mit unternehmerischen Instrumenten will auch der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Hubertus Paetow, dem Klimawandel in der Landwirtschaft begegnen. „Mit dem Risiko gehen wir selber um, wir brauchen bloß ein Biotop dafür, wo diese unternehmerischen Handlungen auch erlaubt sind“, betonte der DLG-Präsident. Ähnlich äußerte sich Prof. Robert Finger von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter (BDP), Dr. Carl-Stephan Schäfer, erinnerte daran, dass auch die Pflanzenzüchter nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiteten. Derweil verwies der Vorstandsvorsitzende der Vereinigten Hagelversicherung VVaG, Dr. Rainer Langner, auf den besonderen Charakter von Dürreschäden. Die immensen Schäden in den deutschen Wäldern verdeutlichte die Referatsleiterin für Kommunalwald, Umwelt und Naturschutz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), Ute Kreienmeier.

    Humusbildung fördern
    Täuber gab bezüglich der CO2-Bepreisung außerdem zu bedenken, dass ohne eine Beteiligung an einem Preissystem auch die Möglichkeiten zur Mitsprache und Gestaltung eingeschränkt seien. Das berge die Gefahr, dass irgendwann von außerhalb ordnungsrechtliche Maßnahmen drohen könnten, etwa wenn die Landwirtschaft als letzter Sektor ausgenommen sei. Nach seinen Worten plant das Bundeslandwirtschaftsministerium bereits, für die Humusbildung förderliche Produktionsmodelle zu unterstützen. Aus dem Klimamaßnahmenprogramm würden ab 2021 bis 2023 etwa 75 Mio Euro dafür eingesetzt, bodenschonende Maßnahmen zu honorieren, möglicherweise in Form einer Klimaprämie. Klimaschutz und Anpassung müssten zusammengedacht werden, betonte der Referent. Die Gesellschaft sei bereit, für Klimaschutz Geld auszugeben, nicht aber für Anpassung.

    Nährstoffauswaschungen wahrscheinlicher
    Wie Finger unterstrich, ist die Anpassung an klimatische Risiken und andere Veränderungen der Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft nicht neu. Es gehe nur darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem diese Anpassung möglichst effizient passieren könne, betonte der Agrarökonom. Er hob zudem hervor, dass im Zuge des Klimawandels auch die Wahrscheinlichkeit für das gemeinsame Auftreten von Extremwetterereignissen zunehme. Die Veränderung der Extreme und die Unvorhersagbarkeit seien für die Zukunft ein „ganz zentraler Punkt“. Diese Entwicklung könne weit über die Grenzen dessen hinausgehen, was ein einzelner Betrieb mit klassischen Mitteln auffangen könne. Ein größeres Augenmerk sollte laut dem DLG-Präsidenten derweil auch auf das Zusammenspiel des Klimawandels mit Schädlingsbefall und Pflanzenerkrankungen gerichtet werden. Eine weitere Herausforderung sieht er im Grundwasserschutz. Auch dabei spiele der Klimawandel eine große Rolle, so Paetow. Bei der Düngung auf einen bestimmten Zielertrag steige bei sinkender Ertragssicherheit auch die Wahrscheinlichkeit für Nährstoffauswaschungen.

    Kritik an EuGH-Urteil bekräftigt
    BDP-Geschäftsführer Schäfer stellte klar, dass auch die Pflanzenzüchter für einen Markt produzierten. Wenn trocken- oder stresstolerante Sorten von den Landwirten zum Beispiel aufgrund eines etwas geringeren Ertrags nicht nachgefragt würden, dann würden die Züchter ihre Aktivitäten in diesem Bereich zurückfahren. Schäfer erneuerte außerdem die Kritik am Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu den neuen Züchtungsmethoden. Die Verfahren zum Genome-Editing seien eine sinnvolle Ergänzung. Zudem sei in der Vergangenheit bereits mit Mutationen durch Strahlung und Chemie gearbeitet worden.

    Nachfrage nach Pflanzenversicherungen steigt
    Den besonderen Charakter von Dürreschäden aus Sicht der Versicherer verdeutlichte der VVaG-Vorstandsvorsitzende Langner. Es handele sich um „Allmählichkeitsschäden“, die sich im Gegensatz zu den physischen Auswirkungen von Starkregen, Frost oder Sturm einfach in einem mangelnden Ertrag manifestierten. Zugleich sei der normale Ertrag für das jeweilige Jahr nicht bekannt und zudem vom Können des Landwirtes abhängig, erklärte Langner. Dass der Klimawandel weltweit ein Thema ist, zeigt sich nach seinen Worten auch im Prämienvolumen der Pflanzenversicherungen. Die Summe sei in den vergangenen zehn Jahren von umgerechnet rund 18 Mrd Euro auf etwa 27 Mrd Euro angestiegen. In Deutschland ist die Nachfrage nach Dürreversicherungen laut Langner derweil noch sehr verhalten.

    Apokalypse im Wald
    An die in den deutschen Wäldern bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels erinnerte die DStGB-Referatsleiterin. „In unseren Wäldern haben wir jetzt die Vorstufe zur Apokalypse erreicht“, so Kreienmeier. Nach ihren Angaben müssen rund 180 000 ha Schadensfläche wieder bewaldet werden. Das große Problem sei jedoch, dass man den Waldbesitzern keine Baumarten mehr empfehlen könne. Enorme wirtschaftliche Verluste drohen laut der Referatsleiterin mittlerweile auch für Buchenholz. Während man befallenes Fichtenholz noch für die Industrie nutzen könne, werde das Holz der Buche innerhalb von wenigen Wochen durch einen Pilz weitgehend entwertet und sei für die Industrie nicht mehr zu gebrauchen.
    AgE

     

    top agrar online:

    Wie sich Land- und Forstwirte dem Klimawandel anpassen Premium

    Land- und Forstwirte müssen lernen, sich an langfristige Klimaveränderungen anzupassen. Auf kurzfristige Extremwetterereignisse zu reagieren, bleibe jedoch ein dauerhaftes Problem.

    14.10.2019

    von Christina Lenfers

    Welche Herausforderungen bringt der Klimawandel der Agrar- und Forstwirtschaft und welche Lösungsansätze gibt es? Darüber diskutierten am Donnerstag Experten auf der Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) in Bonn.

    Vergleichbare internationale Standorte als Vorbild nehmen

    Der DLG-Präsident Hubertus Paetow stellte die Auswirkungen des Klimawandels aus Sicht der Landwirte dar. Für Paetow ist es wichtig, beim Thema Klimawandel und Ackerbau über den Tellerrand zu schauen. Es gebe internationale Beispielregionen, deren Erfahrungen wir uns zu Nutze machen können. Der DLG-Betrieb in Bernburg (Sachsen-Anhalt) habe beispielsweise mit trockener Schwarzerde zu kämpfen. „Es gibt andere Schwarzerde-Standorte in der Welt. Die haben ein Wetter und eine Witterung, wie wir sie in Zukunft erwarten. Also lohnt es sich einmal dort hinzuschauen, wie machen die Leute das da“, so der DLG-Präsident. Trockene Schwarzerde ist auch in Russland und den USA zu finden. Eine angepasste Bodenbearbeitung bedeutet hier:

    • Möglichst wassersparend arbeiten: Mulchsaat
    • Beste Strohverteilung
    • So wenig Arbeitsgänge wie möglich
    • Sofortige Rückverfestigung

    Als Landwirt sei man ein Unternehmer. „Wir müssen uns schneller in unseren Entscheidungsmustern anpassen, appellierte Paetow am Donnerstag.

    Waldsterben 2.0: „Vorstufe der Apokalypse“

    Sturm, Dürre und Hitze mit anschließender Borkenkäferkalamität bereiten den Wäldern seit 2018 enorme Probleme. In Deutschland gibt es für 2018/19 ein Schadholzanfall von über 100 Mio. Festmeter Holz. „Das sind enorme Mengen an Holz, die im Wald stehen und geräumt werden müssen.“, so die Referatsleiterin für Kommunalwald, Umwelt und Naturschutz, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Ute Kreienmeier. „Wir wollen zukünftig auf ein breiteres Baumartenportfolio gehen“, so die Referatsleiterin. Es würden vermehrt Eichen, Linden, Kirschen, Douglasien ... gepflanzt werden.

    Die Expertin betonte, dass es nicht nur Probleme mit den Fichtenwäldern gebe. Es sterbe auch die Buche. „Die Baumart, wo wir große Hoffnung draufgesetzt haben, dass sie mit den Veränderungen durch den Klimawandel zurechtkommt.“, so Kreienmeier. Das Fichtenholz könne man noch für die Industrie nutzen. Das Holz der Buche würde durch Pilze stark entwertet. Innerhalb von zwei bis drei Wochen könne das Buchenholz nicht mehr als Industrieholz genutzt werden.

    CO² als neue Einkommensquelle?

    Der Wald und Ackerboden speichere massiv CO². Es sollte nicht nur darauf geblickt werden, wer alles CO² verbraucht. Es müssten auch die profitieren, die CO² speichern. Eine Bepreisung von CO² könnte den Land- und Forstwirten eine neue Einkommensquelle bieten. Darauf hat Dr. Andreas Täuber vom Referat Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Klimafolgen des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) auf der Herbsttagung hingewiesen. Als Beispiel für eine „verkaufbare Leistung“ führte er den Aufbau von Humus an, mit dem eine messbare Speicherung von Kohlendioxid erreicht werden könne. Bodenschonende Maßnahmen könnten in Zukunft möglicherweise in Form einer Klimaprämie honoriert werden.

    Vielfältige Anpassungsmöglichkeiten

    Die Kunst liege darin, sich an die steigenden Temperaturen anzupassen oder sogar einen Vorteil daraus zu ziehen. Dazu sei die Landwirtschaft in der Lage. „Aber bei kurzfristigen Extremen haben sie nicht unbedingt die Chance sich anzupassen. Dann ist es Anfang des Jahres sehr schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen.“ sagte Prof. Robert Finger (ETH Zurich, Agricultural Economics and Policy Group, Zurich/Schweiz). Es gebe viele Anpassungspotenziale. Es werden nach Finger aber auch viele Dinge ungelöst bleiben. Auch Dr. Carl-Stephan Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Pflanzenzüchter, signalisierte, dass das Dürreproblem aus züchterischer Sicht nicht von heute auf morgen gelöst sei. Pflanzenzüchter müssen für eine neue Sorte extrem lange vorausplanen. „Wenn wir ganz viel Pech haben, brauchen wir dafür 25 Jahre.“, so Schäfer.

    Dürre stellt Versicherer vor große Herausforderung

    Dr. Rainer Langner, Vorstandsvorsitzender, Vereinigte Hagelversicherung, stellte den Klimawandel aus Sicht des Versicherers dar. „Für uns ist der Klimawandel nichts Neues. Wir erleben es tagtäglich in verschiedenen Regionen Deutschlands." Seit dem Jahr 2018 sei die Dürre nach 1992 wieder ein Thema für die deutsche Landwirtschaft. „Wir haben bereits im Jahr 2015 ein Dürreprodukt an den Markt gebracht. Die Nachfrage ist bisher jedoch sehr verhalten.“, so Langner.

    Dürre sei anders als Risiken, wie Starkregen, Frost oder Sturm, wo direkt auf dem Feld ein mechanischer Schaden zu erkennen ist. Bei der Dürre sei es der mangelnde Ertrag. „Sie wissen ja nie, den normalen Ertrag auf dem Standort in dem Jahr. Da ist die Frage, wie der Schaden gewährt wird.“, so der Versicherer. Die Versicherung wird es in einem Dürrejahr nicht schaffen, alle betroffenen Flächen zu begutachten. Ein Weg könnte sein auf Indexprodukte umzustellen. In Zukunft könnten u.a. Satellitendaten Abhilfe schaffen.

     

    Landwirtschaft als Verursacher und leidtragender des Klimawandels?

    Der Klimawandel hat gravierende Auswirkungen auf die Sicherung der Welternährung. Forscher rechnen bei Mais, Reis, Weizen und Soja mit Produktionseinbußen von 9 % bis 2030.

    12.10.2019

    von Christina Lenfers

    Wie gravierend sind die Folgen des Klimawandels für die Sicherstellung einer ausreichend globalen Lebensmittelversorgung? Darüber referierte am Mittwoch der Direktor und Professor für wirtschaftlichen und technologischen Wandel der Universität Bonn, Prof. Joachim von Braun, auf der Herbsttagung der Verbindungsstelle für Landwirtschaft und Industrie (VLI) in Bonn.

    Starke Produktionseinbußen zu erwarten

    Die Landwirtschaft sei Teil der Ursachen des Klimawandels und zugleich besonders leidtragend. Analysen des Zentrums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn (ZEF) ergaben, dass der Klimawandel die Nahrungsmittelproduktion direkt reduziere. Hinzu kämen indirekte negative Auswirkungen auf die Produktion aufgrund von erhöhten Schwankungen der Nahrungsmittelpreise. Insgesamt gehen Forscher bei Mais, Reis, Weizen und Soja von Produktionseinbußen um 9 % bis 2030 und um 23 % bis 2050 aus. Um die Weltbevölkerung in Zukunft ernähren zu können, seien in diesem Zeitraum aber Produktionssteigerungen erforderlich.

    Landwirtschaftliches Klimaschutzprogramm nach von Braun

    Prof. von Braun lobte am Mittwochabend das Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung. „Die Struktur ist ein Fortschritt“, sagt er. Für die „Klimapolitik mit und für die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft“ sind für ihn insbesondere folgende Punkte wichtig:

    1. Weg zur netto klimaneutralen Landnutzung: Emission der Landwirtschaft aus Tierhaltung, Wirtschaftsdünger, Stickstoffdünger, Umnutzung von Weiden oder Sumpfgebieten zurückführen.
    2. Klimaanpassung der Landwirtschaft: Durch Förderungen von Innovationen (z.B. Pflanzenzüchtung, Bewässerung…)
    3. Landwirtschaft strategisch in Bioökonomiepolitik: konsequent fortführen mit Leuchtturmprogrammen von Bund und Ländern sowie internationalen Partnerschaften.
    4. Programm für Biodiversität: Landschaftspflege- und Artenvielfaltprogramme als Wirtschaftsmodell für den ländlichen Raum in Europa.
    5. Revision der veralteten Gentechnikgesetze anstreben.
    6. Nachhaltigen Konsum fördern: Umfassende Information der Konsumenten zu klimarelevanten Aspekten der Produkte und Dienstleistungen, Halbierung der Verschwendung von Lebensmitteln bis 2030, Verminderung Verpackungsflut und Plastik…
    7. Internationale Partnerschaft (nach Art. 6.2 und 6.4 des Pariser Klimaabkommens) mit starken Anreizen für privaten Sektor für Klimaschutz in Entwicklungs- und Schwellenländern.

    Klimarelevante Ernährung kann helfen

    Eine Reduzierung von Lebensmittelverschwendung und eine Abkehr von der derzeitigen (westlichen) Konsumweise hin zu einer umweltfreundlicheren und gesünderen Ernährungsweise könne Emissionen mindern. Folgende Tabelle gibt einen Eindruck, welche Auswirkung eine gesunde bzw. vegetarische Diät für einen Umwelteinfluss haben kann: 

    UmwelteinflussGeschätzter relativer Unterschied im Vergleich zu derzeitiger Diät
    Empfohlene gesunde DiätVegetarische Diät
    12 % Reduzierung31 % Reduzierung
    Landnutzung20 % Reduzierung51 % Reduzierung
    Wassernutzung  6 % Reduzierung37 % Reduzierung

     

    Eine umweltfreundlichere und gesündere Ernährungsweise kann Emissionen reduzieren.

    5%ige Wahrscheinlichkeit für katastrophale Veränderungen

    Nach Aussage von Prof. von Braun wird in 15 Jahren die Schwelle für gefährliche Klimaveränderung überschritten sein. In 35 Jahren liege die Wahrscheinlichkeit bei 50 %, dass die Erderwärmung um 2 °C zugenommen hat. Es gebe aber zudem eine 5 %ige Wahrscheinlichkeit für katastrophale Veränderungen, was u.a. Folgendes bedeuten würde:

    • 3,5 Mrd. Menschen sind tödlicher Hitze ausgesetzt
    • Schwere Dürren, reduzierte Agrarproduktion, vermehrte Waldbrände
    • und ein Ansteigen des Meeresspiegels auf über 2 m

    Doch was bedeutet ein Katastrophen-Ereignis mit 5 % Wahrscheinlichkeit? „Würden Sie einsteigen, wenn 1 von 20 Flugzeugen abstürzt? Wir schicken unsere Kinder und Enkel in dieses Flugzeug!“, so Prof. von Braun.

     

    Nürtinger Masterstudentin erhält Deutsches Agribusiness-Stipendium der VLI

    Die Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) hat im Rahmen ihrer Herbsttagung in Bonn ein weiteres Mal das Deutsche Agribusiness-Stipendium verliehen: Teresa Langenbuch ist die neue Stipendiatin.

    11.10.2019

    von Christina Lenfers

    Aus den eingegangenen Bewerbungen wählte eine Jury der VLI Teresa Langenbuch als Stipendiatin aus. Für die Wahl entscheidend waren neben den hervorragenden Studienleistungen vor allem die Persönlichkeit der Bewerberin, ihre Zielstrebigkeit und das ausgewiesene Interesse am Agribusiness. Frau Langenbuch absolvierte nach einer kaufmännischen Ausbildung das duale Bachelorstudium Lebensmittelmanagement an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und war danach für 15 Monate als Trainee im Bereich des strategischen Lebendvieheinkaufs bei der Vion Food Group tätig. Ihr Wissen weiter vertiefen wird sie von nun an mit dem Masterstudium „Nachhaltige Agrar- und Ernährungswirtschaft“ an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen.

    Finanzielle Unterstützung und Netzwerk

    Frau Langenbuch erhält neben einer finanziellen Unterstützung von monatlich 500 € für ein Jahr die Möglichkeit, sich durch Teilnahme an VLI-Tagungen und den Aufbau von Kontakten zu VLI-Mitgliedern beruflich zu orientieren und ihren erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben vorzubereiten. Außerdem wird ihr die Teilnahme an einem Training der Andreas-Hermes-Akademie für Berufseinsteiger ermöglicht.

    Unter dem Motto „Schärfe Deinen Blick für die Zukunft, mit einem Stipendium der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie e.V.“ wird das Stipendium auch weiterhin jährlich im Frühjahr ausgeschrieben.

  • Frühjahrstagung 2019

    Frühjahrstagung 2019

    AGRA-EUROPE vom 13.05.2019

    Ri2019ri15 8003 Z.

    DEUTSCHLAND/EU                                                                                       TIERSCHUTZ


    Nutztierhaltung in Deutschland an einem Wendepunkt

    Landwirte müssen in Sachen Tierwohlleistungen mitgenommen werden - Ansonsten drohen ein Strukturbruch und die "Auswanderung der Nutztierhaltung" - Entwicklung des Biofleischsegments deutet auf eine nicht allzu hohe Zahlungsbereitschaft der Verbraucher hin - Für die EU-Kommission hat die Durchsetzung der geltenden Regeln Priorität - VLI-Frühjahrstagung "Nutztiere - nur eine Frage der Haltung?"

    GIESSEN. Die Nutztierhaltung in Deutschland befindet sich auch mit Blick auf das Tierwohl derzeit an einem Wendepunkt: Gelingt es nicht, die Landwirte bei den gesellschaftlich von ihnen geforderten Tierwohlleistungen mitzunehmen und angemessen zu honorieren, drohen ein Strukturbruch und die Abwanderung der Fleischproduktion in andere Länder. Davor haben Referenten am vergangenen Mittwoch (8.5.) in Gießen bei der Frühjahrstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) gewarnt, die sich der Thematik "Nutztiere - nur eine Frage der Haltung?" widmete. Der Vizepräsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV), Hans-Benno Wichert, beklagte, dass die Verunsicherung im Berufsstand noch nie so groß gewesen sei wie heute. Es gebe "viel zu wenige rote Fäden in diesem Bereich", monierte Wichert. Er forderte Verlässlichkeit und ein klares Regelwerk; andernfalls drohe die "Auswanderung der Nutztierhaltung". Auch Dr. Clemens Dirscherl von Kaufland-Fleischwaren mahnte, der Paradigmenwechsel bei der Tierhaltung dürfe nicht zu Lasten der Landwirte gehen. Außerdem dürften Tierwohlleistungen nicht durch den Klimaschutz blockiert werden, wie dies bei Stallbauten der Fall sei. Dr. Heinz Schweer von der Vion Bad Bramstedt GmbH warnte vor Alleingängen Deutschlands in der Landwirtschaft. Er forderte, in Lieferketten zu denken; nur so ließen sich Initiativen zum Tierwohl erfolgreich realisieren. Derweil attestierte der Vorstandssprecher vom Verein Neuland für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung, Jochen Dettmer, der Nutztierhaltung in Deutschland, sich in keinem guten Zustand zu befinden. Der Leistungs- und Effizienzdruck sei hoch. Die Nutztierhalter warteten auf Entscheidungen, beispielsweise zum Stallbaurecht, erklärte auch Dettmer. Entscheidend werde sein, wie der Umbau finanziert werde. Hier bremste der Göttinger Agrarökonom Dr. Dominic Lemken die Erwartungen bezüglich der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten und verwies auf das geringe Wachstum des Biofleischsegments. Impulse aus Brüssel für ein Mehr an Tierwohl in der Nutztierhaltung sind indes nicht zu erwarten, wie Dr. Rudolf Mögele von der EU-Kommission klarstellte: Priorität habe die Durchsetzung der bestehenden Regelungen zur Tierhaltung.

    Bälle nicht weiter hin- und herschieben

    Wichert warnte die Beteiligten in der Lebensmittelkette davor, die "Bälle weiter hin- und herzuschieben". Der Lebensmitteleinzelhandel sage nicht, was er wolle. Die Landwirte hätten jedoch "keine Lust mehr". Werde nicht Klarheit geschaffen, dürften in den nächsten Monaten viele Tierhalter aufgeben, so der LBV-Vizepräsident. Es fehle an einer Plattform, wo fakten- und wissensbasiert "entschieden" werde. Erforderlich sei eine Nutztierstrategie mit Leitplanken, die auch nicht wieder schon in drei Jahren geändert werde. Zielkonflikte müssten aufgelöst werden, und die Politik müsse Allianzen mit anderen Mitgliedstaaten, unter anderem den Niederlanden und Dänemark, bilden. In der Pflicht, Planungssicherheit für die Landwirte zu schaffen, sieht Wichert neben der Politik auch die Wertschöpfungskette. Er wies darauf hin, dass das Listungsverhalten des Lebensmitteleinzelhandels maßgeblich über den Erfolg oder Misserfolg von Tierwohlprogrammen entscheide. Die Initiative Tierwohl (ITW) habe der Schweine- und Geflügelhaltung Impulse zur Weiterentwicklung gegeben. Dabei sei die Verantwortung für mehr Tierwohl auch an den Handel und den Konsumenten adressiert worden. Zudem habe die ITW für die Tierhalter Planungssicherheit geschaffen. Wichtig sei, dass der Verbraucher die "Tierwohlleistung" einfach erkennen könne. Der LBV-Vizepräsident warnte deshalb vor einem "Label-Dschungel" und parallelen Systemen von Wirtschaft und Staat. Das wolle auch der Verbraucher nicht.

    Europäische Lösung erforderlich

    In der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion um die Nutztierhaltung geht es laut Schweer im Kern darum, dass die Landwirtschaft mit modernen Verfahren wieder zu einer Kreislaufwirtschaft kommt. "Wenn wir das nicht gelöst bekommen, haben wir ein Problem", so der Tierschutzbeauftragte von Vion. Gebraucht werde deshalb die gesamte Lieferkette. Auch Schweer sieht in einer Vielzahl von Labels mit unterschiedlichen Kriterien eine Gefahr: "Das versteht der Verbraucher nicht mehr." Zudem mahnte er, beim Thema Tierwohl dürfe auch nicht der "globale Gedanken" ausgeblendet werden. Aufgrund des offenen Marktes drohten in der EU Wettbewerbsverzerrungen. Deshalb brauche es letztendlich eine europäische Lösung, betonte Schweer.

    Verbrauchern fehlt Angebot zwischen Bio und konventionell

    Dirscherl stellte klar, dass der Lebensmitteleinzelhandel nicht sein ganzes Fleischsortiment umstellen werde, sondern in einem Bereich alternative Angebote fahren werde. Von den Verbrauchern komme derzeit der Vorwurf, dass nur sehr teures Biofleisch oder konventionelle Ware zu kaufen sei. Nun würden auch Produkte dazwischen angeboten. Generell stellt sich auch für Dirscherl die Frage, was der Konsument bereit ist, für mehr Tierwohl zu zahlen. Je anspruchsvoller die Kriterien, desto höher seien für den Landwirt die Kosten. Zudem bestünden Zielkonflikte mit dem Umweltschutz. Dirscherl geht davon aus, dass die Diskussion um das Tierwohl noch intensiver wird. Die Politik sei daher gefordert, einen ausreichenden Zeitrahmen für den Umbau der Nutztierhaltung und einen angemessenen Finanzrahmen dafür zu schaffen. Dettmer beklagte indes, dass zwar eine Nutztierstrategie vorliege, aber nichts umgesetzt werde. Es sei völlig unklar, welche Maßnahmen ergriffen würden. Tierwohllabels allein werden nach Ansicht des Neuland-Vorstandssprechers nicht ausreichen. Gebraucht werde eine Gesamtstrategie, und die Landwirtschaft müsse sich bewegen. Dabei müsse an vielen Schrauben gedreht werden. Zugleich warnte Dettmer davor, dem Lebensmitteleinzelhandel gesetzlich bestimmte Sortimente vorzuschreiben. Es dürfe zu keiner Planwirtschaft kommen. Für die Politik besteht nach den Worten des EU-Kommissionsbeamten Mögele die Schwierigkeit darin, dass es auf Seiten der Gesellschaft "ein romantisches Landwirtschaftsbild" gibt, das nicht mehr im Einklang mit der Wirklichkeit steht. Der stellvertretende Generaldirektor geht davon aus, dass die Forderungen nach Tierwohl zu größeren Betrieben führen werden. Er warnte davor, wegen mangelnder Akzeptanz in der Gesellschaft auf Innovationen und technischen Fortschritt zu verzichten.

    Fleisch zunehmend inferiores Gut

    Derweil berichtete Lemken über aktuelle Nachfragetendenzen auf dem Fleischmarkt. Hier sei eine immer stärkere Polarisierung der Verbrauchssegmente festzustellen. Eine wachsende Nachfragegruppe seien die "Flexitarier", also Personen, die an bestimmten Tagen bewusst auf Fleisch verzichteten. Dagegen bleibe der Anteil der Veganer konstant, stellte Lemken fest. Nach seiner Darstellung entwickelt sich Fleisch zunehmend zu einem inferioren Gut, was bedeutet, dass mit steigendem Einkommen die Nachfrage abnimmt. Hohe Wachstumsraten weist in Europa dem Agrarökonomen zufolge der Verbrauch von Fleischsubstituten auf, allerdings von einem noch sehr niedrigen Niveau ausgehend. Eher skeptisch beurteilt Lemken die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für Tierwohlleistungen. Studien zum Biofleischmarkt hätten ergeben, dass der Konsument in Deutschland maximal bereit sei, dafür 50 % mehr zu zahlen als für konventionell erzeugtes Fleisch. Dies sei aber zu wenig, um die höheren Kosten für Biofleisch zu decken, weshalb dieser Markt ein nur geringes Wachstum verzeichne. Biofleisch sei einfach zu teuer, so der Agrarökonom. AgE

     

     

    agrarzeitung vom 14.05.2019

    Steffen Robens

    Ernährungstrends

    Reiche essen weniger Fleisch

    Die Frühlingstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) stand ganz im Zeichen des Wandels der Nutztierhaltung. Ein Blick in die Trends zeigt: Besserverdiener verzichten zunehmend auf Fleisch.

    Die VLI lud in der vergangenen Woche zur Frühjahrstagung nach Gießen ein. Auf dem Programm stand eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Nutztierhaltung. Die Landwirtschaft im Allgemeinen und die Tierhaltung im Speziellen werden sich ändern und den gesellschaftlichen Wünschen anpassen, daran zweifelte im vollen Sitzungssaal im Haus der Vereinigten Hagelversicherung niemand.

    Allen Standpunkten voran geht Dr. Dominic Lemken von der Universität Göttingen, der erklärt, wie sich der Fleischkonsum in der Gesellschaft ändert. Einige Punkte wie das moralische Dilemma zwischen dem Verzehr von Tieren und dem Wunsch nach möglichst viel Tierwohl und die Frage nach dem Umweltschutz seien bekannt. Lemken nennt als einen weiteren Grund jedoch das soziale Milieu: In reicheren Gesellschaftsschichten wird Fleisch zunehmend zu einem inferioren Gut. Ein inferiores Gut ist ein Produkt, dessen Nachfrage mit höherem Einkommen abnimmt.

    Das Kundenverhalten wird auch zunehmend extrem: Personen, die ohnehin schon viel Fleisch essen, essen noch mehr, während zurückhaltende Konsumenten ihren Bedarf weiter zurückschrauben. Die Entwicklung geht eher hin zum Flexitarier oder Vegetarier. "Der Veganismus ist aus unserer Sicht jedoch kein Trend. Die Zahlen sind bisher relativ konstant", berichtete Lemken. Aus seiner Sicht gibt es eine ganze Reihe von Gründen, weniger Fleisch zu essen: Das sich verändernde Mensch-Tier-Verhältnis, das neue Wissen über emotionale, kognitive und soziale Fähigkeiten der Tiere und mit Hinblick auf die Antibiotikaresistenzen die Befürchtungen um das eigene Wohlergehen.

    Lösungen sind in der Schublade

    Jochen Dettmer, Vorstandssprecher von Neuland, vertrat die These, dass die Tierhaltung in Deutschland in keinem guten Zustand sei. "Man muss schon was dazu tun, um drei Mal hintereinander in der Heute-Show zu landen", erklärte er den Anwesenden. Die Lösungen hin zu einer naturorientierten Nutztierstrategie wären da, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner treibe sie jedoch nicht voran, so Dettmer.

    Dr. Heinz Schweer, Direktor Landwirtschaft und Beauftragter für Tierschutz beim Fleischverarbeiter Vion, wies mit Blick auf die Tierwohlskandale der letzten Monate darauf hin, dass solche Verstöße inakzeptabel seien und die Branche sich mit Intransparenz keinen Gefallen täte.

    Der Verbraucher wird nicht voran gehen

    Bei der anschließenden Podiumsdiskussion zeigten sich alle Beteiligten - Landwirte, Verarbeiter und Lebensmitteleinzelhandel (LEH) - einig, dass die gesellschaftliche Diskussion um die Nutztierhaltung nicht einfach vorbeigehen wird. Stattdessen müsse sich die Industrie ändern. Uneins dagegen waren sie sich, wer den Anfang macht. Die Landwirtschaft und die Verarbeiter sehen den Ball beim LEH, der sieht ihn wiederum beim Verbraucher. Lemken hakte an dieser Stelle ein: "Es braucht Akteure. Und es wird nicht der Verbraucher sein können. Wir müssen agieren, nicht reagieren".

    Hans-Benno Wichert, Vizepräsident des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg, ärgerte sich über das ständige Hin und Her bei der Frage der Zuständigkeit. Es läge an der Politik, Regeln zu schaffen, die den Ansprüchen der Gesellschaft genügen. Landwirtschaft und Einzelhandel könnten sich dann den Vorgaben entsprechend anpassen. Vion-Vertreter Schweer war sich sicher, dass die Landwirte jeden Weg mitgehen werden, solange er finanziert ist. Der aktuelle Preiskonflikt sei, so ein Teilnehmer, eine "Katastrophe". Mit aller Macht müsse jedoch verhindert werden, dass die Fleischproduktion ins Ausland abwandere.

     

     

    top agrar online - PREMIUM vom 11.05.2019

    Christina Lenfers

    VLI-Tagung: Tierwohl-Diskussion spitzt sich zu

    Die Tierwohl-Diskussion ist nicht nur ein Modetrend, sondern wird sich gesellschaftlich weiter verschärfen. In dieser Schlussfolgerung waren sich Referenten und Teilnehmer der am Mittwoch in Gießen stattfindenden Frühjahrstagung „Nutztiere – nur eine Frage der Haltung?“, der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI), einig.

    Auf der Frühjahrstagung der VLI im Haus der Vereinigten Hagelversicherung in Gießen debattierten in einer Podiumsdiskussion verschiedene Vertreter der Wertschöpfungskette über die Zukunft der Nutztierhaltung. Neben Dr. Dominic Lemken (Uni Göttingen), Dr. Heinz Schweer (Vion) und Dr. Clemens Dirscherl (Kaufland) beteiligten sich Hans-Benno Wichert (Bauernverband Baden-Württemberg), Jochen Dettmer (Neuland e.V.) und Dr. Rudolf Mögele (EU-Kommission) an der Diskussion zur Nutztierhaltung.

    Trend der Flexitarier

    Die gesellschaftlichen Erwartungen an die Tierhaltung steigen stetig an. Grund hierfür ist nach Dr. Dominic Lemken unter anderem das veränderte Mensch-Tier-Verhältnis. Immer mehr Haushalte besitzen ein Haustier, wodurch die Beziehung zum Tier deutlich emotionaler werde. Auch neues Wissen über die sozialen Fähigkeiten von Tieren und über die genetische Ähnlichkeit von Mensch und Tier, beeinflussen das Ernährungsverhalten.

    Eine wachsende Bevölkerungsgruppe sind dabei nach Angaben des Göttinger Agrarökonomen weniger die Vegetarier als die sogenannten „Flexitarier“, also Personen, die an bestimmten Tagen bewusst auf Fleisch verzichten. Laut Lemken entwickele sich Fleisch zunehmend zu einem inferioren Gut, was heißt, dass mit steigendem Einkommen die Nachfrage abnimmt.

    Mehr Tierwohl kostet

    Plädierten vor 20 Jahren Wissenschaftler noch für ökonomisch effiziente Ställe mit modernster Technik, so sei die Hälfte der Professoren heute durch jüngere Kollegen ersetzt, die für die Wiedereinführung von Stroh, mehr Platz und weiteren Tierwohlkriterien stimmen, die die ältere Generation gerade abgeschafft habe. Auch in der Beratung stelle Dr. Clemens Dirscherl neue Ideen und Vorschläge fest. „Es kommen plötzlich neue Empfehlungen, dass verunsichert die Bauern“, so der Kaufland-Beauftragte für Tierwohl und Nachhaltigkeit. Dennoch sei die Bereitschaft der Landwirte groß, sich an Tierwohlprogrammen zu beteiligen. Häufig schiebe aber die Umweltbehörde ein Riegel davor. Für Umbauten eine Genehmigung zu bekommen gestalte sich äußert schwierig.

    Zahlungsbereitschaft fehlt

    Auch der Verbraucher wünscht sich für die Tiere mehr Platz, Beschäftigungsmaterial und frische Luft. Doch je höher die Kriterien in Sachen Tierwohl gesetzt werden, desto teurer werden die Programme für die Landwirtschaft und desto teurer wird auch das Fleisch. Die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für Tierwohlleistungen sei jedoch äußerst gering. Laut Lemken ergaben Studien zum Biofleischmarkt, dass der Konsument in Deutschland maximal bereit sei, dafür 50 % mehr zu zahlen als für konventionell erzeugtes Fleisch. Dies sei aber zu wenig, um die höheren Kosten für Biofleisch zu decken.

    Tierwohllabel bleibt Überraschung

    Hinsichtlich des staatlichen Tierwohllabels hält sich der Optimismus von Neuland e.V.-Vorstandssprecher Jochen Dettmer in Grenzen. Als konkrete Maßnahmen seien bisher nur die Grundzüge für ein freiwilliges staatliches Tierhaltungslabel vorgelegt. „Es wird noch einen großen Überraschungseffekt geben.“, so Dettmer. Rätselhaft ist für den Biolandwirt die Übergangszeit zwischen dem staatlichen und dem Label des Lebensmitteleinzelhandels (LEH). Die Initiative-Tierwohl des LEHs laufe 2020 aus und das staatliche Label fange frühestens Ende 2020 mit Schweinen an. Was mit den Kennzeichnungen der anderen Bereiche, wie Geflügel und Rinder passiere, sei ungewiss. Ähnlich wie Dettmer, wartet auch Schweinezüchter Hans Benno Wichert auf konkrete Rahmenbedingungen für die zukünftigen Haltungsanforderungen.

    Entscheidend für den Erfolg dieser Programme ist für Landwirt Wichert, ein Verbraucher, der in der Ladentheke schnell erkennen kann, für welches Produkt er sich entscheidet. Die Initiative Tierwohl habe es geschafft, den Tierwohlgedanken in die Fläche zu bekommen. „Wir müssen insgesamt das Tierwohl nach vorne bringen.“, so Wichert. Auf das Tierwohllabel des LEHs müssen man aufbauen.

    Der Direktor Landwirtschaft von der Vion Bad Bramstedt GmbH, Dr. Heinz Schweer, resümierte auf der Frühjahrstagung der VLI, dass Tierwohl, Klimaschutz und Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette von Fleisch vereint werden müsse. Sonst gebe es für die deutsche Tierhaltung keine Zukunft.

  • Herbsttagung 2018

    Herbsttagung 2018

     agrarzeitung - 26.10.2018 (AW)

    Schlagabtausch zu Umweltauflagen
    Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diskutieren GAP-Reform bei VLI-Tagung

    Regensburg. Die im Zuge der EU-Agrarreform geplante Konditionalität, also die Kopplung der Direktzahlungen an die Erfüllung von schärferen Umweltauflagen, ist auf der Tagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) am gestrigen Donnerstag kontrovers diskutiert worden. Dass die Reform den Agrarsektor krisenfester mache und Umwelt- sowie Klimaschutz stärke, davon ist Dr. Peter Wehrheim, Mitglied im Kabinett von EU-Kommissar Phil Hogan, überzeugt. Dafür sorge auch eine starke Erste Säule, so Wehrheim.
    Grundsätzlich befürworte die Landwirtschaft die höheren Umweltziele, die auch einkommenswirksam sind, sagte Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Aber die Auflagen müssten auch umsetzbar sein. "Die Konditionalität ist überfrachtet durch zusätzliche Anforderungen", sagte Schwarz.
    Dass die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten mehr Gestaltungsspielraum gewähren will und die Ergebnisse der Maßnahmen auch überprüft werden sollen, begrüßte Dr. Alois Bauer, Leiter der Unterabteilung EU-Angelegenheiten im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL). Bauer sprach sich klar gegen gekoppelte Zahlungen bei Ackerkulturen aus - und gegen die Kappung. Sie sollte laut BMEL fakultativ und nicht verbindlich sind.
    Der Erhalt der Direktzahlungen wurde vor allem seitens der Wissenschaft kritisch gesehen. Prof. Enno Bahrs von der Universität Hohenheim vermisst langfristige Überlegungen, die Direktzahlungen sukzessive abzuschmelzen. "Die Konditionalität manifestiert die Direktzahlungen", ergänzt Bernhard Brümmer, Professor an der Universität Göttingen. Das sei politisch festgelegt, entgegnete Wehrheim. Ob es grundsätzliche Überlegungen in der EU-Kommission gebe, ließ er offen. Die Position der Landwirtschaft ist klar: "Die Landwirtschaft kann ohne Direktzahlungen auskommen", erklärte Schwarz, vorausgesetzt, die politischen und zeitlichen Rahmenbedingungen stimmen. Mit Blick auf den Rindfleischmarkt hätten sich die Landwirte auch darauf eingestellt.

  • Frühjahrstagung 2018

    Frühjahrstagung 2018

     

    VLI-Tagung: Nachhaltigkeit messbar machen

    top agrar online; 05.05.2018 - Christina Lenfers

    Am Donnerstag fand in Münster die Frühjahrstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie(VLI) statt. In einer Podiumsdiskussion debattierten verschiedene Vertreter der Wertschöpfungskette über die Nachhaltigkeit in der Lebensmittelproduktion. Die Podiumsteilnehmer sind sich einig: Es fehlt an vergleichbaren Maßstäben, um auch Optimierungen und Fortschritte in der Nachhaltigkeitsdebatte kommunizierbar zu machen.
     
    Nachhaltigkeit wird in der Wertschöpfungskette als Differenzierungsmerkmal gesehen und häufig als Marketinginstrument genutzt. Dennoch kann der Verbraucher mit dem Begriff nur selten etwas anfangen. "Alle Partner der Kette müssen zusammenarbeiten, nur so kann Nachhaltigkeit funktionieren und transparent gemacht werden. Es wird immer wichtiger in der Wertschöpfungskette von "Saatgut zu Fastfood" Brücken zu bauen", betonte Moderator Anselm Elles (AFC Management Consulting AG) zu Beginn der Diskussionsrunde. 
     
    Neben den Landwirten Carsten Abenhardt (Möhrenanbau in Datteln) und Stefan Teepker (Landwirtschaft Teepker in Handrup) beteiligte sich Jaqueline Walter von Arla Foods Deutschland und Benjamin Baykal von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) an der Diskussion zur Nachhaltigkeit. Viele Erörterungen der Podiumsteilnehmer und Gästen äußerten Wünsche sowie Kritik am Handel. Der eingeladene Dr. Ludger Brehloh (REWE Group), der die Sicht des Lebensmittelhandels einbringen sollte, war aufgrund einer kurzfristigen Einladung durch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner zum Thema Tierwohllabel, verhindert.  

    Jeder definiert "Nachhaltigkeit" anders

    Nach einer Forsa-Umfrage aus 2016 ist Menschen eine nachhaltige Produktion von Lebensmittel wichtig. Vor allem die Themenfelder Tierhaltung und Tierwohl sowie Lebensmittel-Inhaltsstoffe und "Pestizide" sind bei Verbrauchern besonders im Fokus. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit eigentlich? Es gibt keine eindeutige Definition. "Würden hundert Passanten gefragt werden, was für sie eine nachhaltige Landwirtschaft ist, gibt es hundert unterschiedliche Antworten", ist sich Landwirt Teepker sicher.

    Maßstäbe und Indikatoren müssen her

    Nachhaltigkeit muss messbar werden. "Wir sind besser als unser Image ist", ertönte es aus dem Publikum. Die Branche sollte darauf drängen, einheitliche, messbare Indikatoren einzuführen. Nur so könnten nachhaltige Optimierungen entlang der gesamten Kette kommuniziert werden.
     
    Den Lebensmittelerzeugern der Runde liegt es zudem am Herzen, konstante Rahmenbedingungen vorzufinden. "Wie sollen wir nachhaltig produzieren, wenn Rahmenbedingungen währenddessen verändert werden", appellierte Schweine- und Hähnchenmäster Teepker an Politik und Handel. Die Kosten für die Umstellungen bleibt auf den Landwirten selbst hängen. Diskussionen müssen entlang der gesamten Wertschöpfungskette stattfinden.

    365 Tage im Jahr eine gesicherte Warenverfügbarkeit- Ist das nachhaltig?

    Der Geschäftsführer der Abenhardt GmbH & Co. KG sieht für seinen Betrieb in der regionalen und ökologischen Möhren-Vermarktung die Zukunft. Durch den Einsatz verschiedener Sorten ergibt sich ein großes Erntefenster von Ende Juni bis kurz vor Weihnachten. Der Handel fordert von dem Familienunternehmen eine Versorgungssicherheit von 365 Tagen im Jahr. "Trotz langer Erntezeiten können die Biomöhren dann auch schon mal aus Westeuropa oder Israel kommen", erklärte Abenhardt. Die Frage ist, inwieweit das unter den Begriff der Nachhaltigkeit fallen kann. Für den Möhrenproduzenten ist es darüber hinaus nachhaltig, auch nur so viel zu ernten, wie der Handel verlangt.

    Große Herausforderung ist die Überzeugungskraft

    Für Walter ist Arla als Genossenschaft in der vorteilhaften Situation von der "Kuh zum Konsumenten" die gesamte Wertschöpfungskette abdecken zu können. Für sie ist Nachhaltigkeit nicht immer das Große. "Es fängt auch bei uns im Unternehmen mit kleinen Dingen, wie beispielsweise der richtigen Mülltrennung an", sagte Walter. Die größte Herausforderung in dieser Thematik sei es, aus Überzeugung nachhaltig zu handeln und diesen Benefit auch zu vermarkten.

     
    VLI verleiht Tilo Freiherr von Wilmowsky-Preis an Prof. Dr. Kalm

    Im Rahmen der Frühjahrstagung verlieh die Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie zum sechsten Mal ihren Tilo Freiherr von Wilmowsky-Preis an eine Persönlichkeit, die sich um das deutsche Agribusiness verdient gemacht hat. Preisträger ist in diesem Jahr Prof. Dr. Ernst Kalm, der für sein außerordentliches Engagement vor allem im Bereich der Tierzucht und Tierhaltung geehrt wurde.
    Der VLI-Vorsitzende Dr. Thomas Kirchberg überreichte dem Preisträger eine Urkunde und einen Scheck über 5.000 €. Der VLI-Ehrenpreis wird jährlich im Frühjahr verliehen. Weitere Preisträger der vergangenen Jahre waren Gerd Sonnleitner, Prof. Dr. Stefan Tangermann, Philip von dem Bussche,  Manfred Nüssel und Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Friedt.
     
    Die VLI versteht sich als bundesweite Plattform für den Dialog zwischen Landwirtschaft und Industrie. Sie repräsentiert nicht nur einzelne Sektoren des Agribusiness, sondern diesen großen Wirtschaftsbereich in seiner Gesamtheit inklusive Nachwachsende Rohstoffe und Forstwirtschaft. Als "Runder Tisch" in Ergänzung zur klassischen Verbandsarbeit ist sie das Forum für die Entscheider im deutschen Agribusiness

     

     

    agrarzeitung online

    Nachhaltigkeit
    Kette muss an einem Strang ziehen
    von Dr. Angela Werner
    Freitag, 04. Mai 2018

    Nachhaltigkeit wird von Erzeugern bis zum Handel als Differenzierungsmerkmal gesehen und als Marketing- Instrument genutzt. Dennoch kommt wenig beim Verbraucher an. Indikatoren und ein gemeinsames Verständnis fehlen nach wie vor. 

    Eine nachhaltige Agrarproduktion ist Erzeugern, Verarbeitern und Händlern gleichermaßen wichtig. Jedes Unternehmen ist bestrebt, nachhaltig zu wirtschaften. Die Ansätze sind aber sehr verschieden. Möhrenproduzent Carsten Abenhardt von der Abenhardt GmbH in Datteln setzt auf Zertifizierung und will den Öko-Anbau ausbauen, erklärt er auf der Frühjahrstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie e.V. (VLI) gestern in Münster. Die Molkerei Arla Foods hat sich zum Ziel gesetzt, den Verbrauch an Energie und Wasser sowie den CO2-Fußabdruck zu reduzieren und recycelbare Verpackungen zu verwenden, erläutert Jaqueline Walter. Sie leitet bei der Arla Foods Deutschland GmbH den Bereich Qualität, Umwelt, Gesundheit und Sicherheit in Zentral Europa. Das könne man aber nicht einfach auf andere Molkereien übertragen.  Und für Tierhalter Stefan Teepker ist vor allem die Effizienzsteigerung im Unternehmen wichtig.

    Gemeinsame Kenngrößen, die definieren, was nachhaltig ist, gibt es nicht. „Nachhaltigkeit muss messbar sein“, sagt Teepker.  Die Landwirtschaft müsse rationale Maßstäbe und Indikatoren  entwickeln, fordert Carl-Albrecht Bartmer. Diese Indikatoren sollten auch in der künftigen EU-Agrarreform verankert werden, so Bartmer. Denn der Handel picke sich nur Einzelheiten heraus, um am Point-of-Sale beim Verbraucher zu punkten. Zugleich müssten diese Indikatoren aber auch „verbrauchergerecht aufbereitet sein“, ergänzte eine Diskussionsteilnehmerin, damit die Konsumenten sie verstehen.

    Darüber hinaus forderten die Unternehmer einhellig verlässliche Bedingungen, die auch von möglichst vielen Erzeugern in den verschiedenen Segmenten der Agrarproduktion  umsetzbar sind statt einer Vielzahl an spezifischen Programmen des Lebensmitteleinzelhandels. Diese Rahmenbedingungen sollten im Dialog entlang der gesamten Wertschöpfungskette entwickelt werden, so das Fazit der Teilnehmer. „Wir müssen uns viel mehr als Kette verstehen“, so Teepker.

     

    agrarzeitung

    Gemeinsames Verständnis für Nachhaltigkeit fehlt

    von Dr. Angela Werner
    Freitag, 11. Mai 2018

     

     

  • Herbsttagung 2017

    Herbsttagung 2017

     

    agrarzeitung Nr. 43 vom 27. Oktober 2017:Visionen für den Pflanzenschutz 2030

     

    20.10.2017 AGRA-EUROPE (ONLINE)

    Veerman erwartet einschneidende Veränderungen bei der GAP

    WÜRZBURG. Der Leiter der "Task Force Agrarmärkte" (AMTF) bei der Europäischen Kommission, Prof. Cees Veerman, rechnet im Zuge der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) mit deutlichen Veränderungen. Bei der Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) erklärte der ehemalige niederländische Landwirtschaftsminister am Mittwochabend in Würzburg, dass die Neuerungen diesmal nicht innerhalb der "schmalen Grenzen" bleiben könnten, die "im Allgemeinen kennzeichnend für die politischen Prozesse der EU" seien.

    Veerman sieht wichtige Gründe für eine neue, sachliche Diskussion über die Unterstützung des Agrarsektors. So werde sich die Höhe und die Prioritätenfestlegung für den kommenden Etat der EU "stark verändern". Allein der Brexit werde ein Loch von 8 Mrd Euro bis 10 Mrd Euro reißen, so der Niederländer. Des Weiteren sei es dringend notwendig, die Verwendung der Steuergelder viel deutlicher sichtbar zu machen, und zwar anhand "messbarer Erneuerungs- und Verbesserungseffekte". Dies erhalte die Bereitschaft der Bürger, weiterhin Mittel im Bereich der Agrarpolitik und -wirtschaft aufzuwenden.

    Mit Blick auf die Ausgestaltung der zukünftigen GAP betonte Veerman, das Wichtigste sei, den Landwirten eine Perspektive zu bieten und das Vertrauen in die Agrarbranche zu erhalten. Die Bauern müssten das Gefühl haben, Teil der Gesellschaft zu sein und einen ernstzunehmenden Beitrag für diese leisten zu können. Man dürfe den Landwirten "ihren Stolz nicht nehmen", warnte der AMTF-Leiter. AgE

     

    23.10.2017 AGRA-EUROPE

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    DEUTSCHLAND                                                                                         AGRARPOLITIK

    Ökobranche sollte sich neuen Züchtungsmethoden nicht verschließen

     

    Graf Bassewitz fordert klare Abgrenzung zwischen Gentechnik und neuen Züchtungsmethoden - Hofmann sieht bei Beschränkung der Veränderungen auf das arteigene Genom keinen Unterschied zur Züchtung - Schramm erwartet steigende Bedeutung der mechanischen Unkrautbekämpfung - JKI rechnet mit starken Veränderungen bei den technischen Aspekten des Pflanzenschutzes

    WÜRZBURG. Die Ökobranche dürfe "sich nicht die Zukunft verstellen" und neue Technologien unbesehen ablehnen. Das erklärte der der Ökobeauftragte des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Dr. Heinrich Graf von Bassewitz, auf der diesjährigen Herbsttagung zum Thema "Pflanzenschutz 2030 - Strategien und Instrumente für die moderne Landwirtschaft" der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) am vergangenen Donnerstag (19.10.) in Würzburg. Notwendig sei dabei allerdings eine "ganz klare und deutliche" Abgrenzung zwischen Gentechnik und dem "Nachmachen der natürlichen Mutation", wie es im Falle von CRISPR/Cas geschehe. Das Vorstandsmitglied der KWS Saat SE, Dr. Peter Hofmann, bescheinigte den neuen Methoden "viele Vorteile". Sie seien allerdings kein Allheilmittel, da auch die Patent- und Zulassungssituation berücksichtigt werden müsse. In Bezug auf die Einordnung der neuen Technologien sei die Position der KWS, dass die Gentechnik-Regularien nur Anwendung finden sollten, wenn Gene verschiedener Arten kombiniert würden. Veränderungen, die sich lediglich innerhalb des arteigenen Genoms abspielten, seien ja genauso auch in der Züchtung oder der Natur möglich, argumentierte Hofmann. Der Geschäftsführer der Bayer CropScience Deutschland GmbH, Dr. Helmut Schramm, sieht im chemischen Pflanzenschutz auch künftig einen "zentralen Baustein" des Pflanzenbaus. Trotzdem werde die mechanische Bekämpfung von Unkräutern an Bedeutung gewinnen, genauso wie der Einsatz von Biologikas zur Schädlingsbekämpfung. Der Leiter des Instituts für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz des Julius-Kühn-Instituts (JKI), Prof. Jens Karl Wegener, rechnet für die Zukunft mit stark abweichenden Anforderungen an die technischen Aspekte des Pflanzenschutzes. Anstelle gleichmäßiger Wirkstoffverteilung werde eine teilflächenspezifische Ausbringung notwendig sein. Bernhard Frhr. von Weichs, Landwirt aus Willebadessen im Landkreis Höxter, sieht die entscheidende Aufgabe von neuen Technologien darin, die Betriebsleiter insbesondere im Hinblick auf die zu erwartende "Datenflut" bei ihren Entscheidungen zu unterstützen.

    Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule 
    Für die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) rechnet der DBV-Ökobeauftragte Graf Bassewitz mit einer stärkeren Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule, unter anderem da öffentliche Leistungen vermehrt nur für öffentliche Güter zur Verfügung gestellt werden würden. Er erwartet auch immer geringere Unterschiede zwischen den ökologischen und den konventionellen Produktionsmethoden. Allerdings müsse der Ökolandbau "deutlich produktiver" und der herkömmliche Landbau nachhaltiger werden, so Graf Bassewitz. Zur Beschleunigung dieses Prozesses bedürfe es zudem "massiver Mittel" für die unabhängige Forschung. Dabei sieht der DBV-Ökobeauftragte den Staat in der Pflicht, zum Start dieses Prozesses eine "Katalysatorfunktion" zu übernehmen.

    Den Verbraucher vergessen
    Der Vertreter von Bayer CropScience hob die Kommunikationsdefizite der Branche hervor. In den letzten Jahrzehnten sei "zu wenig kommuniziert" worden, beklagte Schramm. Alle seien "nach wie vor" von der Richtigkeit der eigenen Handlungsweise überzeugt, hätten aber "vergessen, den Verbraucher mitzunehmen"; und nun werde die Branche davon eingeholt. Mit Blick auf die neuen gentechnischen Methoden mahnte der Bayer CropScience-Geschäftsführer daher Transparenz und Offenheit an. Generell gelte es, den Verbrauchern einen Nutzen vor Augen zu führen. Bei der Kommunikation seien vorrangig die Industrie und der landwirtschaftliche Berufsstand gefordert, um den Verbrauchern Vorteile und Machbarkeit zu erklären. Gerade die Landwirte hätten eine "hohe Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft", betonte Schramm. Die Politik werde mitziehen, wenn sie bemerke, dass der Verbraucher Veränderungen offen gegenüberstehe. Im Hinblick auf die geplante Übernahme von Monsanto verwies der Bayer CropScience-Geschäftsführer auf die marktstrategische Bedeutung des US-Konzerns. Die Alternative sei zudem gewesen, dass Monsanto Bayer gekauft hätte.

    Mehr Nachhaltigkeit durch neue Sorten 
    Hofmann verwies darauf, dass die Züchtung "nicht alle Probleme lösen könne". Die Resistenzzüchtung werde zwar an Bedeutung gewinnen, die "Chemie" aber unverzichtbar bleiben. Die zu erwartende höhere Geschwindigkeit bei der Sortenentwicklung wird dem KWS-Vorstandmitglied zufolge aber die Nachhaltigkeit befördern, da die neuen Produkte andere Fruchtfolgen, deren Notwendigkeit bereits heute zu erkennen sei, ermöglichen würden. Voraussetzung sei aber immer ein absehbarer Bedarf, ohne den ein Züchtungsunternehmen kein Geld investieren werde, betonte Hofmann.

    Pflanze in den Mittelpunkt stellen
    Der Experte für Anwendungstechnik des JKI präzisierte während der Podiumsdiskussion  seine Vorstellungen zur Zukunft der Landtechnik. Mit den neuen Informationstechnologien im Rahmen von "Big Data" und "Precision Farming" werde die Tür zu grundlegenden Veränderungen aufgestoßen, erklärte Wegener. Die zentrale Frage sei, ob die neuen Möglichkeiten eingesetzt würden, um die gesellschaftliche Kritik an der Landwirtschaft aufzugreifen und "grundlegend an die Produktionssysteme heranzugehen". Wenn die Pflanze in den Mittelpunkt der Produktion gestellt würde, ließe sich möglicherweise eine Ertragssteigerung bei gleichzeitiger Verringerung des Ressourceneinsatzes bewerkstelligen, so der JKI-Experte. Bislang sei der Pflanzenbau den technischen Möglichkeiten angepasst worden; der Schlüssel für die Zukunft liege aber in einer Neufokussierung.

    Immer öfter Durchreichen der Beihilfen
    Landwirt von Weichs hob die zunehmende Durchreichung von Mitteln aus der Ersten Säule an Personen außerhalb der Branche und des ländlichen Raums hervor. Die Bauern würden die Beihilfen immer öfter weitergeben müssen, um überhaupt produzieren zu können; das sei eine Frage, der für die zukünftige Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik nachgegangen werden müsse. Mit Blick auf die Gegenwart konstatierte der Landwirt aus Willebadessen der Branche, den gesellschaftlichen Forderungen "seit Jahrzehnten hinterherzulaufen". Um die Deutungshoheit über die eigenen Tätigkeiten wieder "in die Hand zu bekommen", sei es notwendig, neue Systeme und neue Verhaltensweisen zu etablieren. AgE

     

     

     

  • Jubiläumsveranstaltung 2017

    Jubiläumsveranstaltung 2017

    VLI feiert Jubiläum - Austausch hat hohen Stellenwert

    agrarzeitung (az), 2. Juni 2017

    ESSEN - 90 Jahre hat sich der Runde Tisch bewährt. Die Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) bringt Erzeuger, Genossen und Wirtschftsvertreter zusammen.
    Vertrauensvoll miteinander über drängende wirtschafts- und gesellschaftspolitische Fragen zu diskutieren und Lösungen zu finden, zieht sich durch die inzwischen 90-jährige Geschichte der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI), die 1927 ins Leben gerufen wurde.
    Die Gründer des Vereins versprachen sich Vorteile, wenn jede Seite die Situation, die Chancen und Risiken sowie über die Probleme und Forderungen der Politik gut informiert ist, Meinungen ausgetauscht und Gemeinsamkeiten gesucht werden können.
    Dies schätzen auch heute noch die rund 80 Mitglieder. Führungskräfte von Genossenschaften, Industrie und Unternehmen des Agribusiness sitzen gemeinsam an einem Runden Tisch und erörtern branchenübergreifend die Auswirkungen auf Landwirtschaft und Industrie.
    Im Laufe der Zeit haben sich natürlich die Themen geändert. War es in der wechselvollen Anfangszeit etwa die Förderung des Trinkmilch-Absatzes in den Zechen des Ruhrgebiets, übernahm die VLI stärker die Rolle als Vermittler und Schlichter. Als Beispiel führt der Vorstandsvorsitzende Dr. Thomas Kirchberg die Auseinandersetzungen zwischen Wasserwirtschaft und Chemischer Industrie in den 90er Jahren an. Durch Vermittlung der VLI gelang ein tragfähiger Kompromiss.
    Heute beschäftigen die Mitglieder die Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit ebenso wie der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Branche.
    Darüber hinaus fördert die VLI etwa mit dem Agrar-Marketing-Preis kreative Köpfe und vergibt Stipendien. AW

    agrarzeitung (az), 2. Juni 2017

    Mit dem Tilo Freiherr von Wilmowsky-Preis der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie e.V. (VLI) ist Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), ausgezeichnet worden. Mit Begeisterung und Leidenschaft habe Nüssel die Genossenschaftsidee vorangebracht und den landwirtschaftlichen Erfolg der DRV-Mitglieder gesichert, sagte der VLI-Vorsitzende Dr. Thomas Kirchberg. az

  • Veröffentlichung der VLI-Nachhaltigkeitsstudie

    Veröffentlichung der VLI-Nachhaltigkeitsstudie

  • Frühjahrstagung 2016

    Frühjahrstagung 2016

    „Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Landwirtschaft“, Düsseldorf 

    Agra-Europe (AgE), 25.04.16

    Rechtliche Regelungen zur Digitalisierung unzureichend

    Datenschutz- und Urheberrecht hinken der technologischen Entwicklung hinterher - Gesetzgeber muss Rechtslücken schließen - Schwerpunkt sollte aber auf dem Vertragsrecht bleiben - Rechtsberatung ausbauen - Digitalisierung eröffnet Chancen - Wirtschaft registriert Interesse der Landwirte - Diese sehen allerdings die zentrale Datenspeicherung skeptisch - Kritik auch an der Praktikabilität der Systeme


    DÜSSELDORF. Die Digitalisierung in der Landwirtschaft ist rechtlich bislang unzureichend geregelt. Das hat der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Landwirtschaftsrecht der Universität Göttingen, Prof. José Martinez, auf der Frühjahrstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) hervorgehoben, die am vergangenen Donnerstag (21.4.) in Düsseldorf stattfand. Die Rechtsinstrumente seien veraltet und hinkten in ihrer Entwicklung den digitalen Neuerungen in der Landwirtschaft hinterher. Probleme gebe es unter anderem in den Bereichen Datenschutz und Urheberrecht. Unter den Rechtsunsicherheiten leide die Akzeptanz der Landwirte gegenüber der noch neuen Technologie. Dabei eröffne diese den Höfen viele Chancen, ermögliche zum Beispiel eine kostengünstigere und umweltgerechtere Produktion. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter Philipp Schmechel vom Lehrstuhl für Multimedia und Telekommunikation der Universität Göttingen erläuterte die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung. Durch diese würden ab 2018 in allen Mitgliedsstaaten die Nutzerrechte gestärkt. So solle jeder Einzelne einen leichteren Zugang zu seinen Daten erhalten. Daneben bestehe künftig ein Anspruch auf die Herausgabe der Daten, etwa bei einem Wechsel des Anbieters von Digitalisierungslösungen. Der Datenschutz bereitet auch im landwirtschaftlichen Berufsstand Sorgen. Betriebsleiter Klaus Münchhoff wertete es als fraglich, ob tatsächlich alle Daten den Betrieb verlassen und in einer zentralen Datenbank gesammelt werden müssten. Dabei gehe es nicht nur um sensible Informationen wie etwa Kontoangaben, sondern auch um die umfangreich gesammelten Maschinendaten. Der einzelne Landwirt sei schließlich kein "Testfahrer für die Landtechnikindustrie".

    Verträge typisieren
    Die bislang bestehenden Datenschutzprobleme bei der Digitalisierung der Landwirtschaft erklärte Martinez damit, dass sich das deutsche Datenschutzrecht grundsätzlich am Begriff der personenbezogenen Daten orientiere, nicht aber der unternehmensbezogenen. Urheberrechtlich sei bisher noch unklar, wem die Informationen in der Daten-Cloud eines Anbieters von Digitalisierungslösungen zustünden. Verwendungsbeschränkungen müssten daher ausdrücklich einzeln nach Vertragsrecht vereinbart werden. Schließlich gebe es offene Haftungsfragen, wenn zum Beispiel eine Maschine Schäden verursache. Bei so vielen Akteuren im System sei die Zuweisung des Fehlers schwierig. Den Gesetzgeber forderte Martinez auf, bestehende Rechtslücken zu schließen. Zur Sicherung von Flexibilität müsse zwar auch künftig der Schwerpunkt auf dem Vertragsrecht liegen. Wichtig sei aber ein rechtlicher "Schutzmantel", vor allem eine Typisierung von Verträgen durch die Rechtspraxis. Daneben müsse die landwirtschaftliche Rechtsberatung zur Digitalisierung ausgebaut werden. Dadurch könne das Vertrauen der Landwirte in die Technologie gestärkt werden.

    Kommunikationsprobleme stören
    Aus Sicht der landwirtschaftlichen Praxis liegen die Vorteile der Digitalisierung laut Münchhoff zum Beispiel in der transparenten Abbildung der Betriebsprozesse - etwa des Düngemanagements und des Maschineneinsatzes - sowie in einer leichteren Erfüllung unter anderem von fiskalischen und umweltrechtlichen Nachweispflichten. Dennoch zeigte sich Münchhoff skeptisch hinsichtlich einer schnellen Verbreitung der Technologie in den kommenden Jahren. Hemmend wirkten nicht nur die Datenschutzprobleme, sondern auch Schwierigkeiten bei der Nutzung der Systeme. Maschinen, auf denen Digitalisierungslösungen verschiedener Anbieter genutzt würden, könnten oft nicht miteinander kommunizieren. Solche Defizite nähmen die Lust auf die Technologie.

    "Landwirtschaft 4.0" bereits Realität
    Der Head of Product Management von der 365FarmNet GmbH, Karl-Heinz Krudewig, schaut dagegen optimistisch auf die weitere Verbreitung der Systeme in den kommenden Jahren. Deutschland werde zwar nicht zu den schnellsten Märkten gehören, auf den Landtechnikmessen sei aber das Interesse der Landwirte vorhanden. Zu den Gründen dafür zähle die zunehmende Komplexität der Höfe sowie der Auflagen beziehungsweise Nachweispflichten des Gesetzgebers für die Landwirte. Hier setze 365FarmNet mit seiner betriebszweigübergreifenden Agrarmanagementsoftware für den ganzen Betrieb an. Für Heiko Nies von John Deere Vertrieb ist die "Landwirtschaft 4.0" bereits heute Realität, mit vernetzten Maschinen, Fahrern, Feldern, Partnern und Lieferanten. John Deere FarmSight ermögliche beispielsweise vorbeugende Wartungen und Reparaturen der Maschinen, eine digitale Arbeitsplanung, eine optimale Logistik und eine lückenlose Dokumentation. AgE

  • Herbsttagung 2015

    Herbsttagung 2015

     „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung – Wunschdenken und Wirklichkeit“, Montabaur

    Agra-Europe (AgE), 26.10.15

    Nutztierhalter und Gesellschaft müssen aufeinander zugehen

    Agrarökonom Grethe empfiehlt Landwirten offeneren Umgang mit Kritik - "Unsinnige Verquickungen" in der Diskussion sind jedoch aufzugeben - DLG-Vizepräsident Schulze Esking gegenüber staatlichen Tierwohlförderung kritisch - Prinz zu Löwenstein: Produktionsveränderung bedarf der Ernährungsumstellung - Frühzeitige Bildung der Verbraucher ist zu intensivieren - VLI-Herbsttagung in Montabaur


    MONTABAUR. Landwirte und Gesellschaft müssen in der Tierschutzdebatte einen Schritt aufeinander zugehen. Dazu bedarf es einerseits einer besseren Aufklärung der Gesellschaft und  andererseits höherer Standards in der Tierhaltung. Darin waren sich die Referenten der Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) einig, die am vergangenen Mittwoch (21.10.) in Montabaur stattfand. Diskussionsbedarf gab es aber bezüglich der Frage, welche Maßnahmen auf welche Weise realisiert werden sollten. Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Bundeslandwirtschaftsministerium, Prof. Harald G r e t h e , appellierte an die Landwirte, die gesellschaftliche Kritik nicht pauschal abzuwehren. Gleichzeitig müssten aber "unsinnige Verquickungen" in der Diskussion, wie beispielsweise der Begriff der Massentierhaltung, aufgegeben werden. Schließlich gehe es nicht um die "Masse der Tiere", sondern um die Qualität der Haltung. Um hier Verbesserungen zu erreichen, empfahl Grethe auch staatliche Hilfen. Indes zeigte sich der Vizepräsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Philipp S c h u l z e  E s k i n g, sehr kritisch gegenüber der Aussicht, "das unternehmerische Handeln wieder an staatlichen Töpfen" ausrichten zu müssen. Der "einzig erfolgsversprechende Weg" führe über die Wirtschaft. Beispielhaft sei hier die Initiative Tierwohl. Als Zeichen eines grundsätzlichen Paradigmenwechsels bezeichnete der  Landwirtschaftsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Dr. Clemens D i r s c h e r l, die aktuelle Debatte und wurde darin bestärkt von Prof. Peter K u n z m a n n  von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Dr. Felix P r i n z  z u  L ö w e n s t e i n, bedarf die  Umstellung der Tierhaltung einer weitreichenden Reform der Produktionsbedingungen nach dem Vorbild der ökologischen Landwirtschaft.

    Lebensmitteleinzelhandel in der Pflicht
    Grethe hob als vorbildlich bei der Realisierung besserer Haltungsstandards in Übereinstimmung mit weiteren Referenten die privatwirtschaftliche Initiative Tierwohl hervor. Ein wichtiger Schritt sei den  beteiligten Akteuren vor allem mit der Einbindung des Lebensmitteleinzelhandels gelungen. Im Moment werde jedoch "der Schwarze Peter im Kreis geschoben" bei der Frage, welche der  beteiligten Parteien das Geld zur Finanzierung der Maßnahmen einzahlen müsse. "Ich halte es für enorm wichtig, den Lebensmitteleinzelhandel hier bei seiner Verpflichtung zu halten", betonte der Wissenschaftler. Die Schlachtunternehmen in die Pflicht zu nehmen, sei aus Sicht des Berufsstandes hingegen problematisch, da diese gegenüber ausländischen Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit einbüßten. Folglich wäre es für den deutschen Einzelhandel dann attraktiver, bei ausländischen Schlachtereien einzukaufen, die wiederum Tiere aus dem Ausland bezögen. Grethe: "Das Bestechende an der Tatsache, dass der Lebensmitteleinzelhandel Gelder an die Initiative abführt, ist, dass die Konsumenten beim Kauf nicht ausweichen können. Deshalb gibt es aus meiner Sicht auch keine sinnvolle Alternative dafür, dass eben dieses Budget aufgestockt wird." Staatliche Eingriffe seien dabei aus finanzieller Sicht nicht möglich, da solche Zahlungen dem EU-Beihilferecht unterlägen und es sich um eine privatwirtschaftliche Initiative handele.

    Marktlösungen gesucht
    Für DLG-Vizepräsident Schulze Esking bietet das Modell der wirtschaftsgetragenen Initiative den "einzig erfolgsversprechenden Weg", um langfristig und entlang der gesamten  Wertschöpfungskette mehr Tierwohl umzusetzen. "Wir Landwirte wollen unser Geld am Markt verdienen und glauben, dass nur auf diese Weise eine nachhaltige Unternehmensführung möglich ist", erklärte Schulze Esking. Als Negativbeispiele für nationale Alleingänge in Sachen Tierschutz dienten Schweden und England, wo die Produktion infolge staatlicher Maßnahmen dramatisch eingebrochen sei. Das Ziel müsse daher sein, die Tragweite der Initiative Tierwohl zu steigern und damit parallel die Lücke zwischen dem geringen Anteil der Biofleischproduktion und den konventionell erzeugten Produkten zu schließen. Auf diese Weise könne dann der Verbraucher entscheiden, wofür er sein Geld ausgeben wolle. Grundsätzlich ist der Berufsstand dem DLGVizepräsidenten zufolge offen für echte Veränderungen in der Tierhaltung; diese müssten aber "behutsam angegangen" werden und der Transformationsprozess über lange Zeitabschnitte
    erfolgen.

    Ökolandbau als Alternative
    Ein ökologisch zukunftssicherer Wandel in der Tierhaltung ist aus Sicht des BÖLW-Vorstandsvorsitzenden Prinz Löwenstein nur in Verbindung mit einer Umstellung der Ernährungsgewohnheiten möglich. Ein deutlich höherer Preis für Fleisch und damit auch ein entsprechend geringerer Konsum in Deutschland als aktuell stünden dabei am Anfang einer Kette nötiger Produktionsumstellungen. Zuvor muss aber laut Prinz Löwenstein die artgerechte Haltung und Fütterung in kleineren Beständen umgesetzt werden. "Wenn wir die Tierhaltung der Fläche anpassen, können wir auch geschlossene Nährstoffkreisläufe realisieren - das ist das Ziel, wenn unser System der Tierhaltung, Ernährung und Landwirtschaft zukunftsfähig sein soll", betonte der BÖLW-Vorstandsvorsitzende. Eine solche Umstellung müsse allerdings ohne "Brüche" vollzogen werden. Der Weg führe über den ökologischen Landbau, der den zusätzlichen Vorteil eines eigenen Marktes mit sich bringe, in dem die Käufer einen höheren Preis und in der Folge auch einen geringeren Fleischkonsum zu akzeptieren bereit seien. Gleichzeitig warnte Prinz Löwenstein vor einer "Überfrachtung" des Marktes durch Tierschutzlabels, die der Verbraucherorientierung schaden könne.

    Langfristige Werteverschiebung versäumt
    Als Zeichen eines grundsätzlichen Paradigmenwechsels bezeichnete der EKD-Agrarbeauftragte Dirscherl die aktuelle Debatte. Die Kritik an der Tierhaltung sei als Symptom des gesellschaftlichen Wertewandels zu betrachten, der sich mittlerweile vollzogen habe. "Wir haben Tiere ausschließlich als Bioreaktoren wahrgenommen und zunehmend unter dem Gesichtspunkt eines reinen mechanisch steuerbaren Produktionsfaktors betrachtet", so der Geschäftsführer des Evangelischen Bauernwerks Württemberg. Dass die jüngste Zäsur in der gesellschaftlichen Wertschätzung jetzt für Unsicherheiten sorgt, ist nach seiner Ansicht auch dadurch begründet, dass die frühzeitige Gründung eines "Think Tanks" versäumt wurde. Die langfristige Entwicklung der Werteverschiebung bei der Zukunftsplanung im Blick zu behalten, sei dem landwirtschaftlichen Berufsstand daher anzuraten, erklärte Dirscherl. Im Umkehrschluss empfahl Rita L a n i u s - H e c k  vom Deutschen LandFrauenverband (dlv) in der Podiumsdiskussion, bereits im Kindesalter die Aufklärung über die landwirtschaftliche Produktion anzugehen. Nur so könne die Kluft zwischen der Produktion und dem Verbraucher geschlossen werden. "Die sprichwörtliche Lila-Kuh existiert; die Unwissenheit in der heranwachsenden Bevölkerung gegenüber Agrarthemen ist groß", stellte Lanius-Heck fest. Deshalb starteten die Landfrauen Bildungsinitiativen in Kindergärten und Schulen; sie seien dabei aber auch auf die Unterstützung der Verbände angewiesen. Ferner verwies das dlv-Vorstandsmitglied auf die Forderung nach einem Schulfach für "Lebens- und Alltagsökonomie". Darin sollten die einfachen Sachverhalte des täglichen Lebens erklärt werden, wozu auch die landwirtschaftliche Produktion gehöre.

    Volk von Tierhaltungsexperten
    Für Kunzmann von der Tierärztlichen Hochschule Hannover ist die weitreichende Aufwertung des Tieres in der gesellschaftlichen sowie wissenschaftlichen Betrachtung der Hauptgrund für die aktuelle Nutztierhaltungsdebatte. Aufgrund der Tiefe dieser Werteverschiebung sei auch nicht davon auszugehen, dass es sich dabei um ein "Modethema" handele. Vielmehr müssten sich die Landwirte darauf einstellen, dass sie "in einem Volk von 80 Millionen Tierhaltungsexperten leben". Deren selbsternannte Expertise werde sich nicht aushebeln lassen, weshalb man lernen müsse, damit umzugehen. "Der Anspruch breiter Teile der Bevölkerung besteht darin, sichere und bezahlbare Lebensmittel mit möglichst geringen Kosten und Lasten für Tier und Umwelt herzustellen", sagte Kunzmann. Diese "legitime" Forderung gehöre mittlerweile "zum moralischen Selbstverständnis dieser Gesellschaft". Umgekehrt sei es weder legitim noch nachvollziehbar, zu "illusorischen Tieridyllen" zurückzukehren, die es so eigentlich nie gegeben habe.

    Sebastian Krings, Agra-Europe (AgE)


    agrarzeitung, 23.10.15

    Ringen um Akzeptanz

    Tierwohl polarisiert die Gesellschaft

    Montabaur/AW
    Die Tierhaltung wird in Deutschland von Verbrauchern sehr unterschiedlich beurteilt. Darauf müssen sich die Landwirte einstellen.

    "Die Tierhaltung und der Umgang mit Tieren ist kein Modethema - das wird uns erhalten bleiben." Davon ist Prof. Peter Kunzmann von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover (TiHo) überzeugt. Die Einstellungen dazu innerhalb der Gesellschaft seien sehr verschieden und daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern, sagte Kunzmann während der Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (vli) am Mittwoch in Montabaur. Einen wirklichen gesellschaftlichen Konsens wird es seiner Ansicht nach nicht geben. Vielmehr werden sich die Ansprüche an die Tierhaltung weiter verändern, vor allem mit Blick auf den Zuzug von Flüchtlingen wie Muslimen, sagte er gegenüber der agrarzeitung (az).
    An die Landwirte appellierte Kunzmann, noch viel deutlicher der Öffentlichkeit klarzumachen, was alles für mehr Tierwohl gemacht werde. Dabei dürfen aber auch die Defizite nicht verschwiegen werden. Bislang nähmen die Verbraucher Veränderungen kaum wahr. Um gesellschaftliche Akzeptanz zu erlangen, müsste Verbrauchern vermittelt werden: "Tiere werden in Deutschland flächendeckend vernünftig gehalten." Verbände und Landwirte sollten auch insbesondere schwarze Schafe selbst proaktiv angehen, damit diese nicht von Tierschützern oder Tierrechtlern aufgedeckt werden und alle Tierhalter in Misskredit bringen, empfiehlt der Tierethologe Kunzmann.
    Die Brancheninitiative Tierwohl wurde von allen Teilnehmern grundsätzlich positiv gesehen. Kontrovers wurden allerdings die Auswirkungen auf die Exportfähigkeit Deutschlands gesehen, wenn sich Tierwohlstandards in ganz Deutschland durchsetzten. "Dann werden wir weniger wettbewerbsfähig auf den internationalen Massenmärkten", sagte Prof. Harald Grethe von der Uni  Hohenheim. Damit müsse man leben und sich dem Premiumsegment zuwenden. Die Tierhaltung sei aber auf den Export angewiesen, lautete das Gegenargument von Landwirt Philip Schulze Esking. Hohe Standards im Inland und "normale" im Ausland, wie es Albert Heijn in den Niederlanden umsetzt, seien auch keine Lösung, so Grethe. Das sei in Deutschland "nicht vermittelbar".

    Dr. Angela Werner, agrarzeitung

     


    agrarzeitung online, 21.10.15

    Landwirte wollen keine staatliche Förderung

    Das Ringen um die gesellschaftliche Akzeptanz treibt Tierhalter um. Über die Wege dorthin gibt es aber sehr unterschiedliche Auffassungen. Von staatlichen Eingriffen halten die Landwirte wenig.

    Dass Konsumenten für mehr Tierwohl höhere Preise bezahlen, hält Prof. Harald Grethe von der Uni Hohenheim für realistisch. Allerdings erreiche man allenfalls 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung, sagte er während der Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie heute in Montabaur. Um jedoch merh Tierwohl zu finanzieren, würden andere Finanzierungsströme benötigt. Denn Freiwilligkeit wie in der Brancheninitiative Tierwohl sei zwar in Ordnung, aber es reiche nicht. Grethe, der auch dem Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und Verbraucherschutz (WBAE) vorsitzt, bekräftigte erneut, dass Steuerabgaben oder staatliche Förderung probate Mittel seien.

    Dem widersprach Philip Schulze Esking, selbst Schweinehalter und DLG-Vizepräsident, entschieden. "Landwirte wollen keine staatliche Unterstützung. Wir wollen unser Geld am Markt verdienen." Ansprüche und andere Rahmenbedingungen in der Tierhaltung dürften aber nicht im Hauruck-Verfahren eingeführt werden, sonst werde es bald keine Tierhaltung mehr in Deutschland geben. "Eine Transformation muss behutsam umgesetzt werden", sagte Schulze Esking.

    Prof. Peter Kunzmann von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover (TiHo) appellierte an die Landwirte, noch viel deutlicher der Öffentlichkeit klar zu machen, was alles für mehr Tierwohl gemacht werde. Bislang nähmen die Verbraucher Veränderungen kaum wahr. Es gehe vor allem darum, dass "Tiere flächendeckend in Deutschland" vernünftig gehalten werden. Dafür müssen sich die Verbände stark machen, damit nicht einzelne schwarze Schafe, die von Tierschützern oder Tierrechtlern aufgedeckt werden, alle Tierhalter in Misskredit bringen. (AW)

    Dr. Angela Werner, agrarzeitung

  • Frühjahrstagung 2015

    Frühjahrstagung 2015

     "Wachsende Märkte in Asien - Chancen für die europäische Agrar- und Ernährungswirtschaft", Leipzig

    Presseartikel Agra-Europe (AgE), 27.04.15

    Asien wichtiger Faktor für Zukunft der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft

    DRV-Präsident Nüssel sieht in asiatischen Ländern großes Absatzpotential für deutsche Lebensmittel - Produkte aus Deutschland profitieren von einer hohen Wertschätzung der wachsenden asiatischen Mittelschicht - Internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht durch überhöhte Auflagen gefährdet - DLG-Präsident Bartmer: Landwirtschaft muss im Inland für den Nutzen der Exportwirtschaft für ländliche Räume werben - VLI-Frühjahrstagung in Leipzig

    LEIPZIG. Der Export von Agrar- und Ernährungsgütern nach Asien bietet enorme Chancen für die hiesige Wirtschaft; für einen nachhaltigen Erfolg müssen allerdings noch etliche politische und wettbewerbsrechtliche Hürden ausgeräumt werden. Das war ein Fazit der Frühjahrstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI), die vergangene Woche mit dem Fokus auf die asiatischen Zukunftsmärkte in Leipzig stattfand. Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Manfred N ü s s e l , machte dabei den langfristigen Erfolg der deutschen Ernährungs-wirtschaft sogar wesentlich von den aufstrebenden Märkten in den dortigen Entwicklungs- und Schwellenländern abhängig. Nüssel verwies auf die eher schrumpfenden Absatzmöglichkeiten für Agrar- und Ernährungsgüter in den westlichen Industrienationen, denen gegenläufige Entwicklungen in Asien gegenüberstünden. Hinzu kämen dort steigende Einkommen, die einer wachsenden Mittelschicht eine hochwertigere und westlich orientierte Ernährungsweise ermöglichten. Gerade deutsche Produkte profitierten hier von einer hohen Wertschätzung wegen ihrer Vielfalt, Qualität und Sicherheit, betonte Nüssel. Rückendeckung bekam er in diesem Punkt vom Präsidenten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Carl-Albrecht B a r t m e r , der zudem die wirtschaftliche Bedeutung des Exportgeschäfts für den ländlichen Raum hervorhob. Der Geschäftsführer der German Export Association for Food and Agriproducts (GEFA), Holger H ü b n e r , prognostizierte trotz der bereits erreichten Exporterfolge gerade für China noch erheblichen Nachfragezuwachs. Der ehemalige Sprecher der Claas-Konzernleitung, Dr. Theo F r e y e , erwartet für die Volksrepublik auch im Hinblick auf den globalen Landtechnikmarkt eine wachsende Rolle. Dabei dürften chinesische Marktteilnehmer nach seiner Meinung immer öfter auch als Anbieter von Landtechnik auftreten.

    Exportsektor nicht abwürgen
    Laut Nüssel hängt eine erfolgreiche Teilnahme der exportorientierten deutschen Land- und Ernährungswirtschaft am Absatzboom in Asien in hohem Maße von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Marktteilnehmer ab. Der DRV-Präsident warnte deshalb davor, den Sektor durch überhöhte Tierschutzauflagen und "politische Regulierungswut" in seinen Möglichkeiten einzuschränken. Nüssel forderte die Bundesregierung aus diesem Grund dazu auf, mit einer bedachten Agrarpolitik im Inland sowie dem Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse auf den "Zukunftsmärkten" die geeigneten Bedingungen für eine Partizipation der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft an einem wachsenden Weltmarkt zu schaffen. Der Raiffeisen-verbandspräsident lobte in diesem Zusammenhang ausdrücklich das Engagement von Bundeslandwirtschaftsminister Christian S c h m i d t bei der Öffnung neuer Märkte, wies aber zugleich auf den nach seiner Ansicht unverändert bestehenden Handlungsbedarf auf deutscher und europäischer Ebene bei der Exportförderung hin.

    Für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft werben
    Nach Einschätzung Bartmers darf die Agrar- und Ernährungswirtschaft aber nicht darauf warten, dass die Politik den Weg für prosperierende Agrarausfuhren und für eine hohe Akzeptanz der Branche in der Gesellschaft bahnt. Der DLG-Präsident sieht vielmehr die Landwirtschaft selbst am Zug, zu erklären, dass gerade ihre Arbeit und auch der Export von Ernährungsgütern erst die Grundlage für vitale ländliche Räume bildeten. Dies gehe nicht über die Verbreitung agrarromantischer Bilder, betonte Bartmer. Stattdessen müsse die Branche die Vorteile innovativer Verfahren herausstellen und für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft werben. Um hier Schützenhilfe zu leisten, habe die Land- und Ernährungswirtschaft im vergangenen Herbst aus der Fördergemein-schaft Nachhaltige Landwirtschaft (FNL) das Forum Moderne Landwirtschaft (FML) geformt, erläuterte der DLG-Präsident (AgE 43/14, Länderberichte 35). Das Werben für die eigenen Methoden und Produktionsweisen bleibe jedoch eine Aufgabe für die gesamte Wertschöpfungskette.

    Marktwachstum noch lange nicht vorbei
    Laut Angaben von Hübner verzeichnete Deutschlands Agrar- und Ernährungsbranche im Jahr 2014 mit rund 67 Mrd Euro zwar einen neuen Exportrekord, blieb in ihrer Außenhandelsbilanz aber mit etwa 8,4 Mrd Euro im Minus. Im vergangenen Jahr sei es der Branche allerdings erstmals gelungen, zumindest beim bilateralen Handel mit Asien einen Überschuss von rund 400 Mio Euro zu erzielen, berichtete der GEFA-Geschäftsführer. Dazu beigetragen hat ihm zufolge insbesondere die starke Nachfrage aus China, wo der deutsche Exportwert allein seit 2009 um rund 280 % auf zuletzt gut 1,3 Mrd Euro gestiegen sei. Hübner sieht die Entwicklung aber noch längst nicht an ihrem Ende angekommen und begründet dies vor allem mit der erwarteten Zunahme der kaufkräftigen Mittelschicht im asiatischen Raum. Diese solle in den kommenden zehn Jahren um eine Milliarde Menschen zunehmen und damit einen riesigen Absatzmarkt für hochwertige und sichere Lebensmittel bilden, so der GEFA-Geschäftsführer. Dabei eröffneten selbst geringfügige Veränderungen bei den Verbrauchsgewohnheiten nach europäischem Verständnis riesige Absatz-potentiale. So rechne der Branchendienst Datamonitor für China bis 2018 beispielsweise mit einer Zunahme des durchschnittlichen Pro-Kopf-Verzehrs von Schokolade von "gerade einmal" 40 g. Hochgerechnet auf die gesamte Bevölkerung der Volksrepublik entspreche dies jedoch einem Absatzplus von mehr als 55 Mio kg, stellte Hübner fest.

    Neuer "Global Player" für Landtechnik im Anmarsch
    Wie Freye berichtete, ist die chinesische Landwirtschaft nach Fruchtart und Region sehr unterschiedlich mechanisiert, professionalisiert sich jedoch rasant. So registrierten westliche Landtechnikhersteller seit Jahren eine spürbar steigende Nachfrage für Technik mit hohen Qualitäts- und Serviceansprüchen. Der politisch unterstützte Strukturwandel fördere zudem den Absatz größerer Einheiten nach westlicher Bauart. Nach Einschätzung von Freye sind China und auch Indien bereits heute "Global Player", an denen man kaum vorbeikommt. Künftig rechnet er zudem mit einer zunehmenden Verbreitung chinesischer Technik auf dem Weltmarkt, da diese immer öfter auch gehobenen Ansprüchen genügen könne. China könne daher nicht nur als willkommener Absatzmarkt betrachtet werden, stellte Freye klar. Vielmehr wachse hier auch ein neuer Wettbewerber für den weltweiten Landtechnikmarkt heran. AgE

    Marko Stelzer, Agra-Europe (AgE)


    agrarzeitung online, 22.04.15

    Asiengeschäft kompensiert Russlandembargo

    Die Ausfuhr von Gütern der Agrarwirtschaft aus Deutschland im Jahr 2014 liegt mit voraussichtlich mehr als 67 Mrd. € mindestens auf dem Niveau des Vorjahres. Damit hätten steigende Exporte nach Asien den nahezu vollständigen Entfall des Geschäfts mit der russischen Zollunion ausgeglichen. Um rund 1 Mrd. € ist das Exportgeschäft der deutschen Agrarwirtschaft mit den Ländern Russland, Kasachstan, Ukraine und Belarus in den vergangenen zwei Jahren gesunken, so Holger Hübner, Geschäftsführer der der deutschen Exportfördergesellschaft Gefa, Berlin.

    Anlässlich der am Dienstag in Leipzig stattgefundenen Frühjahrstagung der Organisation Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI), Ochsenfurt, führte er aus, dass dieser Rückgang nahezu vollständig durch Exporterfolge in Asien ausgeglichen worden seien. Dies verdeutliche, welch großes Potenzial für Exportgüter aus dem deutschen Agrarsektor in den Ländern der Region Asien bestehe. Neben China würden sich jedoch auch Länder wie Südkorea, Indonesien, Thailand und neuerdings auch Myanmar sehr dynamisch entwickeln und gute Chancen für den Export aus Deutschland bieten. (jst)


  • Herbsttagung 2014

    Herbsttagung 2014

    agrarzeitung online, 07.11.2014

    Botschafter für Agribusiness

    Masterstudent erhält Agribusiness-Stipendium. Neben der finanziellen Unterstützung gibt es zusätzlich die Chance, interessante Kontakte zu Branchenvertretern zu knüpfen.

    Der Bachelorabsolvent Adrian Urban (25) wurde aus 18 Bewerbern für das Deutsche Agribusiness-Stipendium ausgewählt. Die Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) verleiht das Stipendium zum zweiten Mal.

    Zurzeit ist Adrian Urban Masterstudent im Agrarmanagement mit Schwerpunkt Pflanzenwissenschaften und Agrarsystemtechnik an der TU München. Er erhält für ein Jahr eine Unterstützung von monatlich 500 €, außerdem hat er die Möglichkeit durch Teilnahme an VLI-Tagungen, Kontakte zu Mitgliedsunternehmen zu knüpfen und sich dadurch beruflich zu orientieren.

    "VLI Stipendiat zu sein, heißt für mich, inspirierenden Persönlichkeiten aus dem Agrarsektor zu begegnen und die aktuellen Themen des Agribusiness bei Tagungen und Seminaren hautnah mitzubekommen."

    Gute Studienleistungen und die Persönlichkeit, sowie das starke Interesse am Agribusiness waren ausschlaggebend für die Entscheidung. VLI-Vorstandsmitglied, Bernhard Conzen, freut sich für den Stipendiaten: "Die VLI hat mit Ihnen einen sympathischen Botschafter mit Begeisterung für das Agribusiness gewonnen." Das Stipendium soll weiterhin jährlich im Frühjahr ausgeschrieben werden. (az)

  • Herbsttagung 2013

    Herbsttagung 2013

    "Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik - gut gerüstet in die Zukunft?", Hamburg 

    Agra-Europe (AgE) 18.10.2013

    Nationale GAP-Umsetzung darf Wettbewerbsfähigkeit der Bauern nicht gefährden

    Auswirkungen der GAP-Reform sind vordergründig weniger gravierend als befürchtet - In der nationalen Umsetzung der EU-Beschlüsse liegt aber noch erheblicher Spielraum - Rukwied: Deutsche Landwirtschaft hat künftig gute Chancen am Weltmarkt - Erfolg hängt jedoch von der Wettbewerbsfähigkeit ab - Neue GAP birgt Gefahr der Renationalisierung der Agrarpolitik - Umverteilung von Geldern der ersten Säule in die Zweite wird vom DBV kategorisch abgelehnt - Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI)

    HAMBURG. Die Auswirkungen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auf die deutsche Landwirtschaft sind vordergründig weniger gravierend als befürchtet. In der nationalen Umsetzung der EU-Beschlüsse liegt allerdings noch erheblicher Spielraum, der von der Politik mit Augenmaß genutzt werden muss. Das war ein Fazit der diesjährigen Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI), die unter dem Motto "Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik - gut gerüstet in die Zukunft?" vergangene Woche in Hamburg stattgefunden hat. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim R u k w i e d , wies während einer Podiumsdiskussion darauf hin, dass die Reform aus Sicht der Landwirte erst dann bewertet werden könne, wenn die Konditionen der deutschen Umsetzung feststünden. Der Vorstand der Baywa Agrar AG, Dr. Josef K r a p f , und der Geschäftsführer der Bayer CropScience Deutschland GmbH, Dr. Helmut S c h r a m m , beklagten in ihren Redebeiträgen den geringen Anteil, den die Themen Wettbewerbsfähigkeit, Märkte und moderne Landwirtschaft bei der Agrarreform gespielt hätten. Auch der Giessener Agrarökonom Prof. Michael S c h m i t z monierte die aus seiner Sicht falsche Weichenstellung der Reform mit ihrer Betonung auf Umweltschutz und Umverteilung. Beim Geschäftsführer des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Stefan Z w o l l , stieß gerade diese Neuausrichtung auf Beifall, während Ministerialdirektor Dr. Dietrich G u t h vom Bundeslandwirtschaftsministerium wegen der neuen Regelungen vor allem einen höheren administrativen und bürokratischen Aufwand befürchtet.

    Neue GAP kein großer Wurf

    Nach Einschätzung Rukwieds hat die deutsche Landwirtschaft angesichts des tendenziell steigenden weltweiten Absatzpotentials in den kommenden Jahrzehnten grundsätzlich gute Chancen. Die Teilhabe der Bauern an den neuen Märkten hänge aber maßgeblich von ihrer Wettbewerbsfähigkeit ab. Die neue GAP sei in ihrer europäischen Beschlussform allerdings nicht der "große Wurf" geworden, mit denen die Beteiligten zuvor gerechnet hätten. Er sehe vielmehr die Gefahr, dass die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Agrarwirtschaft durch die Betonung ökologischer Kriterien, eine teilweise Wiedereinführung gekoppelter Agrarzahlungen und eine grundsätzliche Renationalisierung der Agrarpolitik gefährdet werde, warnte der DBV-Präsident. Die im Zuge der nationalen Umsetzung geplante Umverteilung von bis zu 15 % der Gelder der Ersten in die Zweite Säule stieß bei Rukwied auf klare Ablehnung. Er betonte, jeder Euro in der Ersten Säule komme heute auch bei den Landwirten an. Der Vorschlag zur Stärkung der Zweiten Säule bedeute jedoch die Verlagerung von etwa 400 Mio Euro aus der Ersten, wobei die Bauern längst nicht in gleichem Maße davon profitieren würden.

    Keine weiteren Einschnitte

    Die übermäßige Umverteilung von Agrargeldern von Ost- nach Westdeutschland ist nach Angaben Rukwieds ein weiterer Grund für die ablehnende Haltung des DBV zur Umschichtung von den Geldern der Ersten Säule in die Zweite. Diese sei, so der DBV-Präsident, die unmittelbare Folge des Umsetzungsvorschlags der grünen Agrarminister (AgE 35/13, Länderberichte 33) und werde so weder von den west- noch von den ostdeutschen Landesverbänden akzeptiert. Die Ostländer sind laut Rukwied bereits durch Kappung und Degression sowie durch die allgemeine Kürzung der Direktbeihilfen betroffen. Weitere Einschnitte überschritten daher das zumutbare Maß. Bei der Umsetzung der Greening-Auflagen pocht Rukwied zudem weiterhin auf Vorschriften, die auch in Zukunft die landwirtschaftliche Produktion auf ökologischen Vorrangflächen zulassen. Er fragte dazu in die Runde, wie die Diskussion in der Bundesrepublik wohl abliefe, wenn man von der deutschen Industrie Produktionseinschränkungen im gleichen Maße verlangen würde. Die Mitglieder der neuen Regierung rief Rukwied auf, in der neuen Legislaturperiode eine sachorientierte Politik zu betreiben, die unternehmerischen Wettbewerb zulasse und die Einkommenssituation der Landwirte verbessere.

    Intensive Landwirtschaft notwendig

    Schramm wies darauf hin, dass der Bedarf der Weltbevölkerung für Nahrungsmittel in den kommenden Jahrzehnten bei nur wenig veränderten Agrarflächen stark steigen wird. Das zusätzliche Angebot müsse vorrangig über steigende Erträge produziert werden, was nur durch moderne und intensive Verfahren zu gewährleisten sei. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erbringt laut Schramm gegenüber ökologischen Verfahren beispielsweise beim Weizen Mehrerträge von gut 120 %. Zudem seien Pflanzenschutzmittel die am besten untersuchten Substanzen und bei sachgerechter Anwendung für Natur und Umwelt unschädlich. Der Bayer CropScience-Geschäftsführer erwartet allerdings auch in den kommenden Jahren keine höhere gesellschaftliche Akzeptanz der modernen Agrarwirtschaft. Er ruft daher zu besserer Aufklärungsarbeit auf, was die tatsächlichen Chancen und Risiken der produktiven Methoden angeht. Krapf riet ebenfalls dazu, in der öffentlichen Diskussion weg vom Schwarz-Weiß-Denken zu kommen. Alle Produktionsrichtungen, ob öko oder konventionell, hätten ihre Berechtigungen und Nischen. Bei den Verhandlungen zur GAP-Reform haben nach Einschätzung des Baywa-Vorstands jedoch Nachhaltigkeit und Ökologie eine überproportionale Rolle gespielt, was der Reform eine falsche Richtung gegeben habe. Die Agrarmärkte, so Krapf, seien global und von Konkurrenz geprägt. Um international bestehen zu können, müsse der deutschen Landwirtschaft daher auch im Zuge der neuen GAP die Möglichkeit gegeben werden, wettbewerbsfähiger zu werden.

    Weichgespültes Greening

    Schmitz begrüßte mit Blick auf die GAP-Reform zwar, dass jetzt für die Beteiligten weitgehende Planungssicherheit herrsche, kritisierte aber gleichzeitig die Ziellosigkeit der Reform. Diese hatte laut Schmitz zwei Ziele: Eine stärkere Umweltorientierung der Agrarpolitik und die Umverteilung der Agrargelder. Die stärkere Gewichtung der Ökologie in Form des Greenings ist nach Ansicht des Giessener Agrarökonomen "weichgespült", bietet viele Umgehungsmöglichkeiten und bedeutet in erster Linie mehr Bürokratie. Auch die Umverteilung der Direktzahlung von großen zu kleinen Betrieben findet in dieser Form nicht seine Zustimmung. Statt pauschal bei großen Betrieben zu kappen, hätte eine gerechte Umverteilungspolitik die Haushaltssituation der einzelnen Unternehme berücksichtigen müssen. Nun drohen Schmitz zufolge Verzerrungseffekte.

    Öffentliche Gelder besser begründen

    Zwoll bekräftigte in seinem Beitrag die Forderung des BÖLW nach einer stärkeren Umschichtung der Gelder aus der Ersten in die Zweite Säule. Allein, um die gesellschaftlichen Anforderungen zu erfüllen und die fortdauernde Zahlung von Agrargeldern zu legitimieren, müssten ökologische Leistungen und Agrarumweltmaßnahmen gestärkt werden. Der neue BÖLW-Geschäftsführer wies darauf hin, dass bis zu 40 % der deutschen Bevölkerung bereit seien, für hochwertige, ökologisch erzeugte Lebensmittel mehr Geld auszugeben. Dies eröffne auch den hiesigen Bauern, mit Qualität und größeren Umweltleistungen, neue Märkte zu erschließen und Einkommen zu generieren. Den internationalen Wettbewerb sieht Zwoll nicht als ausreichende Begründung für eine intensive und exportorientierte Landwirtschaft. Der europäische Markt allein biete mit 300 Millionen Verbrauchern einen starken Absatzmarkt, der Qualität und Umweltschutz honoriere.

    Bürokratie nimmt weiter zu

    Guth räumte ein, dass das ursprünglich Ziel einer Vereinfachung des administrativen Aufwands im Zuge der GAP-Reform verfehlt wurde. Allein die Umsetzung und die Kontrolle des Greenings stellten Landwirte und Behörden absehbar vor neue bürokratische Herausforderungen. Mit Blick auf die Forderung von Wirtschaft und Verbänden, auf ökologischen Vorrangflächen auch mit Düngung und Pflanzenschutz zu produzieren, zeigte der Ministerialdirektor zwar Sympathie für Starterdüngung bei Leguminosen, wies ansonsten aber darauf hin, dass die offizielle Haltung weiter auf ein allgemeines Verbot von Düngung und Pflanzenschutz auf Greeningflächen abziele. Guth zeigte sich ansonsten zuversichtlich, dass die Länderminister auf der nächsten Agrarministerkonferenz am 4. November zu einer Einigung bei der nationalen GAP-Umsetzung kommen. Mit seinem Vorschlag für einen Verteilungsschlüssel für die Gelder der Zweiten Säule strebt das Bundeslandwirtschaftsministerium laut Guth einen Kompromiss an, der weitere Transfers von Ost nach West vermeidet, da die Ostländer auch nach seiner Einschätzung bereits in der ersten Säule relativ stark belastet sind. Den Maximalvorstellungen der grünen Länderminister mit Umschichtungen von 15 % der Gelder der Ersten Säule in die Zweite räumt er dagegen wenig Chancen auf Erfolg ein. AgE

    Marko Stelzer, Agra-Europe (AgE)


    agrarzeitung online, 18.10.13

    Spielräume der Mitgliedstaaten sind groß

    Nach dem die Grundpfeiler der EU-Agrarreform definiert wurden, geht es jetzt um die nationale Ausgestaltung. Einige strittige Punkte wurden auf der Herbsttagung der Verbindungstelle Landwirtschaft und Industrie (vli) in Hamburg diskutiert.

    Mit der EU-Agrarreform ist kein großer Wurf gelungen. Darin waren sich alle Tagungsteilnehmer einig. Auch die Legitimierung der Direktzahlungen stehe auf schwachen Füßen, erklärte Prof. Michael Schmitz, Agrarökonom an der Universität Gießen, und forderte die Entwicklung neuer Instrumente, die den globalen Kontext berücksichtigten. Kritisch gesehen wurde vor allem die mögliche Umschichtung der Direktzahlungen von der 1. in die 2. Säule, die nach Ansicht von Stefan Zwoll, Geschäftsführer des Bundes für Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) so hoch wie möglich ausfallen solle. Dadurch fehle den Landwirten doch Einkommen, kritisierte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, diesen Weg. Die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte müsse sichergestellt werden, das komme in der Reform aber nicht zum Ausdruck. Die EU-Mitgliedstaaten hätten zu viele Spielräume, damit entferne man sich von einer "gemeinsamen Agrarpolitik", so Rukwied.

    Ministerialdirektor Dr. Dietrich Guth vom Bundeslandwirtschaftsministerium räumte ein, dass im Greening viele Ausnahmen möglich und dass teilweise noch gekoppelte Zahlungen "rückwärtsgewandt" seien. Einheitliche Prämien würden in Deutschland bis 2019 umgesetzt. Offen ist laut Guth, ob es schrittweise oder auf einmal erfolgen wird. In punkto ökologische Vorrangflächen forderte Dr. Helmut Schramm, Geschäftsführer der Bayer Crop Science Deutschland GmbH, nicht nur die Landwirtschaft in die Verantwortung zu nehmen, sondern auch die so genannten "Ehda-Flächen" zu nutzen und eine Balance zu finden. Alles in allem waren die Tagungsteilnehmer zuversichtlich, dass Kompromisse im Rahmen der nationalen Ausgestaltung geschlossen werden können. Dabei sollten aber auch Handel und Verarbeiter mit ein bezogen werden, ergänzte Dr. Josef Krapf, Vorstandsmitglied der Baywa AG. (AW)

  • Frühjahrstagung 2013

    Frühjahrstagung 2013

     "Tierwohl in der Veredlungswirtschaft - Verbrauchererwartungen versus Erzeugerinteressen?, Marienfeld

    Agra-Europe (AgE) 22.04.2013

    Ernährungswirtschaft braucht Kampagne

    Spiller: Offene Dialogführung auf wissenschaftlicher Basis - Ehrliche Bilder kommunizieren - ZDG: Nutztierhaltung auf Grundlage neuer Forschungserkenntnisse weiterentwickeln - Kluge: Eigenverantwortung der Tierhalter rückt stärker in den Fokus - Neuland-Geschäftsführer Dettmer will "Paradigmenwechsel" hin zur Anpassung der Haltungssysteme an die Tiere - Sturmfels: Branche muss Themen offen und ehrlich auf den Tisch legen - VLI-Frühjahrstagung.

    MARIENFELD. Die Ernährungswirtschaft braucht aus Sicht von Prof. Achim  S p i l l e r  vom Lehrstuhl "Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte" der Universität Göttingen eine Aufklärungskampagne, um das Thema Tierwohl zu kommunizieren. "Eine 'Kopf-in-den-Sand'-Strategie bringt im Krisenfall nichts", betonte der Wissenschaftler auf der Frühjahrstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) in Marienfeld, die unter dem Thema "Tierwohl in der Veredelungswirtschaft - Verbrauchererwartungen versus Erzeugerinteressen" stand. Spiller zufolge sind die Ernährungswirtschaft und insbesondere die Fleischindustrie aktuell nicht kampagnenfähig. Er empfahl eine offene Dialogführung, die auf wissenschaftliche Füße gestellt und messbar gemacht werden sollte. VLI-Vorsitzender Dr. Thomas  K i r c h b e r g  sprach sich dafür aus, das Wissen der Verbraucher zu stärken. Dafür sei eine Kampagne erforderlich, in die auch der Handel eingebunden sei. Nach den Worten von Charlotte   D ü-   v e l  vom Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) liegt die besondere Verantwortung der Branche in der Weiterentwicklung der Nutztierhaltung auf wissenschaftlicher Basis. Die Leiterin des Tierschutzreferates im Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Katharina  K l u g e , betonte, dass die Eigenverantwortung des Tierhalters künftig stärker in den Fokus rücken werde. Neuland-Bundesgeschäftsführer Jochen  D e t t m e r  sprach sich für eine Abkehr von der reinen Erhöhung der betrieblichen Effizienz aus, wenn die Branche die gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen wolle. Julia  S t u r m f e l s  von der AFC Risk & Crisis Consult GmbH sieht im Thema "Tierwohl" ein Krisenthema.

    Megatrend Tierwohl

    Neben der wissenschaftlichen Basis sollten ehrliche Bilder kommuniziert werden, führte Spiller weiter aus. Zudem müssten die Branchenakteure Vertrauen schaffen und den Lebensmittelhandel mit in die Pflicht nehmen. Außerdem müsse die Branche Begriffe setzen, auch wenn sich diese nicht alle durchsetzten. Der Wissenschaftler sieht in "Verbrauchererwartungen" und "Erzeugerinteressen" aber keinen Gegensatz; beides halte auch Chancen bereit, zumal, wenn der Verbraucher mehr Auswahl habe. Die Gesellschaft tue sich selbst einen Gefallen, wenn sie die Marktchancen nutze. Für 50 % der Verbraucher stelle Fleisch nach wie vor einen elementaren Bestandteil der Ernährung dar. Diese Waage könne die Branche halten, wenn dem Thema "Tierwohl" mehr Beachtung geschenkt werde, so der Marketingprofessor. Dabei dürfe man jedoch nicht kurzfristig denken; vielmehr liege darin ein langfristiger Trend. Ein Mehr an Tierwohl sei grundsätzlich im Interesse von Gesellschaft, Landwirtschaft und Industrie. Im Gegensatz zu anderen Themen gebe es nur eine kleine Gruppe, die gegen mehr Tierwohl sei. Insgesamt sieht Spiller im "Tierwohl" einen Megatrend.

    Offener Dialog

    Düvel zufolge muss die Weiterentwicklung des Themas "Tierwohl" gemeinsam mit Politik, Wissenschaft und Wirtschaft erfolgen. Dabei gehe es um Aspekte wie Schnabelkürzen oder das Management beim Federpicken. Eine Lösung sieht die ZDG-Referatsleiterin in der Vergrößerung der Schnittmenge von Erzeugerinteressen und Verbrauchererwartungen. Dazu sei eine Annährung der Erzeugerinteressen an die Verbrauchererwartungen und der Verbrauchererwartungen an die Erzeugerinteressen notwendig. Dies könne durch Transparenz und Offenheit sowie die Betonung der Branchenleistungen über einen offenen Dialog erfolgen. Seitens der Landwirte gehörten zu dieser Schnittmenge Einkommen und Produktion; bei den Verbrauchern seien die Erwartungen an die Tierhalter und Preise relevant. Im Hinblick auf die Dialogkommunikation des ZDG wies Düvel darauf hin, dass die Diskussion um die Überbelegung in den Ställen einen "sehr großen" Einfluss auf diese Strategie gehabt habe. Es sei eine Zunahme kritischer Nachfrage bezüglich der Kontrollen in dieser Zeit registriert worden. Hinzu komme, dass es diese Dialogkommunikation nur für den Bereich "Fleisch", aber noch nicht für "Eier" gebe. Sie gab außerdem zu bedenken, dass dem ZDG sachliche Informationen gefehlt hätten, die kommunizierbar gewesen wären, da es sich bei der Überbelegung um ein noch laufendes strafrechtliches Verfahren handle. Somit habe man sich bedeckt gehalten.

    Label als Chance

    Kluge wies darauf hin, dass es in Zukunft neben der Eigenverantwortung auch um die Kompetenzen von Personen gehe, die mit den Tieren umgingen. Messbar gemacht werden solle dies anhand von tierbasierten Tierschutzindikatoren: Dabei werde das Tier als Ausgangspunkt gesehen und geschaut, ob es ihm gut gehe. Ferner komme es darauf an, den allgemeinen Rahmen zu stärken, also die Regelungen für alle Tierarten, so die studierte Veterinärin. Sie erinnerte daran, dass die tierschutzrechtlichen Vorschriften Mindeststandards festlegten, aber keine "best practice" regelten; es seien also keine besonderen Leistungen. Die Landwirtschaft müsse sich mit dem Tierschutz jenseits der gesetzlichen Mindeststandards auseinandersetzen. Allerdings könnten die gesellschaftlichen Erwartungen darüberliegen. "Hier ist es die Aufgabe der Landwirte, mit dem Verbraucher zu reden und zu fragen, was er will", erklärte Kluge. Sie gab zu bedenken, dass andere EU-Mitgliedstaaten höhere Anforderungen besäßen, etwa bei der Käfighaltung oder beim Schenkelbrand; Deutschland liege "nicht über den anderen". Des Weiteren müsse die Frage geklärt werden, wo die gesetzlichen Standards liegen sollten; hier sei ein ständiger Evaluationsprozess notwendig, hob die Referatsleiterin hervor. Hinsichtlich der Diskussion um Tierschutzlabels sagte sie, dass Labels die gesetzlichen Mindeststandards ergänzten und im Gegensatz zu diesen besondere Leistungen auswiesen. Somit liege darin eine Chance für die Erzeuger. Mittelfristig könne damit auch der Tierschutz verbessert werden. Das Tierschutzlabel sei dabei ein Instrument, es gebe aber möglicherweise auch andere. Kluge riet schließlich dazu, über das "wie" und "warum" der heutigen Tierhaltung zu kommunizieren.

    Praktische Lösungen

    Neuland-Geschäftsführer Dettmer stellte auf der VLI-Frühjahrstagung ein "Auseinanderdriften" von Verbrauchererwartungen und Erzeugerinteressen fest. Um dies zu stoppen, müssten praktische Lösungen erzielt werden. In diesem Zuge sprach sich der Landwirt im Zuge eines "Paradigmenwechsels" für eine Anpassung der Haltungssysteme an die Tiere aus. "Tiergerechte Haltungssysteme sind praxisreif", betonte Dettmer. Er forderte, die weitere Industrialisierung der Tierhaltung zu stoppen. Je billiger produziert werde, umso schwieriger werde es, Waren im Premiumsegment zu vermarkten. Als positives Beispiel nannte der Neuland-Geschäftsführer in diesem Zusammenhang den niedersächsischen Tierschutzplan. Zudem drängte er dazu, den Ordnungsrahmen zu ändern und die Förderpolitik neu auszurichten, sprich die Zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu stärken. Daneben müssten auf dem Markt Kennzeichnungsregelungen die Voraussetzungen schaffen, dass Verbraucher entscheiden könnten, so Dettmer in seiner dritten Kernforderung. Das Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes sei ein erster Schritt in diese Richtung.

    Gezielte Kommunikation

    Sturmfels erläuterte zum Gedanken "Tierwohl als Krisenthema", bei der Risikokommunikation sei es notwendig, die Erwartungen der jeweiligen Ansprechpartner zu kennen. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass Verbraucher heutzutage besser vernetzt seien; die Bevölkerung nehme Risikothemen wahr und reagiere emotional. Auch seien immer nur die kritischen Stimmen zu hören; daher funktionierten Nichtregierungsorganisationen (NGO) auch so gut. Diese seien "hervorragend kommunikativ", was bei den Verbrauchern ankomme. Zudem liege ein Zusammenspiel von NGO und den Medien vor: Es gebe kaum noch Fachjournalisten; daher würden Themen meist eins zu eins aufgenommen und verbreitet. Darüber hinaus sei zu bedenken, dass die Grünen wieder ein eigenes Thema für den Wahlkampf benötigten, zumal die CDU beispielsweise den Bereich "Atompolitik" aufgegriffen habe, so Sturmfels. Sie zeigte sich überzeugt, dass es noch mehr Krisenfälle geben werde. Daher müsse sich die Branche mit dem Anliegen beschäftigen und gezielt kommunizieren. "Die Unternehmen und Teilbranchen müssen die Themen offen und ehrlich auf den Tisch legen, auch wenn nicht gleich eine Resonanz vorliegt", unterstrich die AFC-Beraterin. Sie riet dazu, eine Plattform für den Verbraucher zu etablieren sowie Themen nach und nach über einen Mix an Kommunikationsinstrumenten aufzugreifen. AgE

    Friederike Niemann Agra-Europe (AgE)

  • Interview mit Dr. Arne Brockhoff

    Interview mit Dr. Arne Brockhoff

    Den Beitrag deutlich erhöhen

    Dr. Arne Brockhoff spricht im joule-Interview über die Chancen der Landwirtschaft bei der Energiewende und fordert von der Politik vor allem eins: Verlässlichkeit.

    joule: In der Verbindungsstelle Landwirtschaft und Industrie (VLI) sind führende Persönlichkeiten des Agribusiness sowie aus nahestehenden Wirtschaftsbereichen, Organisationen und Verbänden vertreten. Wie wichtig ist das Thema Erneuerbare Energien für die Mitglieder der VLI

    AB: Die VLI-Mitglieder sind mit ihren Unternehmen und Betrieben sowohl Energieverbraucher als auch Energieproduzenten. Für sie hat die politisch beschlossene und seit wenigen Monaten praktisch eingeleitete Energiewende deshalb herausragende Bedeutung.

    joule: Welche Rolle kann die Agrarwirtschaft bei der Energiewende übernehmen?

    AB: Die Agrarwirtschaft leistet schon heute mit ihren Biogasanlagen und mit der Erzeugung von Biomasse einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung. Mit Blick auf die energiepolitische Zielsetzung muss dieser Beitrag deutlich erhöht werden. Dazu ist die Agrarwirtschaft auch bereit. Voraussetzung ist allerdings, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Perspektive besteht.

    joule: Wie müssen Ihrer Meinung nach die gesetzlichen Rahmenbedingungen gestaltet sein, um eine Tank- oder Teller-Diskussion zu vermeiden?

    AB: Wichtig ist zunächst, dass die gesetzlichen Rahmenbedinungen verlässlich sind, weil nur dann eine belastbare Grundlage für die zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen gegeben ist. Sprunghafte und kurzfristige Änderungen sollten unterbleiben. Ein Negativbeispiel dafür war die überzogene Förderung der Photovoltaik in den vergangenen Jahren, die dazu führte, dass wertvolles Ackerland denaturiert und für PV-Anlagen genutzt wurde. Inhaltlich sollten die gesetzlichen Rahmenbedingungen vor allem sicherstellen, dass in Deutschland ausreichend Ackerfläche zur Verfügung steht, um Teller und Tank im gewünschten Umfang bedienen zu können. Weitere Flächenstilllegungen, wie von der EU-Kommission gefordert, der Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen für naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen sowie sonstige Zweckentfremdung müssen weitestgehend vermieden werden. Der Deutsche Bauernverband hat dieses Thema mit dem Stichwort "Flächenfraß" zu Recht aufgegriffen.
    Schließlich wird darauf zu achten sein, dass der gesetzliche Rahmen auch in anderen Bereichen wie dem Naturschutz, dem Immissionsschutz, dem Baurecht oder auch dem Abfallrecht vernünftig und angemessen ist. Der Staat sollte den erforderlichen Freiraum für unternehmerische Entscheidungen respektieren.

    joule: Zielt das EEG 2012 in die richtige Richtung oder sollte man es nachbessern, wie einige Politiker fordern?

    AB: Die mit dem EEG 2012 beabsichtigte Anschubförderung Erneuerbarer Energien ist sicherlich richtig. Jedoch sollte kritisch hinterfragt werden, ob die verschiedenen Handlungsinstrumente praktikabel und zielführend sind. Prämisse für die staatliche Förderung sollte stets sein, dass in absehbarer Zeit eine Wirtschaftlichkeit aus eigener Kraft zu erwarten ist. Die verbreitete Kritik ist nicht von der Hand zu weisen. Man sollte jedoch jetzt nicht vorschnell und nur vom grünen Tisch aus zu einer Revision des Gesetzes schreiten, sondern zunächst in ausreichendem Maße praktische Erfahrung sammeln.

    joule: Ist die Energiewende eine Chance für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume oder sehen sie dabei auch ein Risiko?

    AB: Die Energiewende eröffnet erhebliche Chancen für die Landwirtschaft und damit auch für die ländlichen Räume. Die Energiewirtschaft kann sich für die Agrarwirtschaft zu einer wichtigen zweiten Säule ihres wirtschaftlichen Handelns entwickeln. Natürlich gibt es wie bei jedem unternehmerischen Handeln auch Risiken. Wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen, sind diese Risiken jedoch kalkulierbar und auch vertretbar.

    joule: In welchen Bereichen der alternativen Energien besteht Ihrer Meinung nach der größte Forschungsbedarf?

    AB: Forschungsbedarf besteht in erster Linie bei der Entwicklung geeigneter Energiepflanzen. Aber auch bei der Verfahrenstechnik bzw. Prozessoptimierung der Bioenergieproduktion sowie bei der notwendigen Steigerung der Energieeffizienz im landwirtschaftlichen Bereich sollte die Forschung fortgesetzt, wenn möglich intensiviert werden.

    Die Fragen stellte Imke Brammert-Schröder

  • Frühjahrstagung 2012

    Frühjahrstagung 2012

     Die Bioenergie - eine sichere und preisgünstige Energieversorgung?, Köln-Paffendorf

    Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen-Lippe, 17/2012

    Das Unbehagen wächst

    Wie viel Fläche kann die deutsche Landwirtschaft für die "Energiewende" bereitstellen? / Frühjahrstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie in Bergheim-Paffendorf

    Das Unbehagen über die Energiewende wächst. Auf der Frühjahrstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie e. V. im rheinischen Bergheim diskutierten Firmenvertreter, Grundbesitzer, Land- und Forstwirte sowie Politiker darüber, wie viel Fläche die deutsche Landwirtschaft für Biogas, Biosprit (Ethanol) und andere Nachwachsende Rohstoffe bereitstellen kann. Und wie reagieren die Nahrungsmittelmärkte, wenn das Wetter nicht mitspielt und der Rohstoff etwa für die vielen Tausend Biogasanlagen in Deutschland nicht zur Verfügung steht?

    Biomasse: Grenze erreicht?

    Ursula Heinen-Esser, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, enttäuschte das Fachpublikum im Schloss Paffendorf mit wenig konkreten Aussagen. 2011 hätten die Nachwach senden Rohstoffe etwa ein Fünftel (2,3 Mio. ha) der Ackerfläche in Deutschland beansprucht. Bis 2020 könnte der Anteil auf bis zu 4 Mio. ha steigen. Heinen Esser sinngemäß: "Wir sehen die Grenzen bei der Biomasse. Die Produktion von Nahrungsmitteln wird auch in Zukunft Vorrang haben. Bei der Erzeugung von Strom aus Biomasse müssen wir zudem darauf achten, dass vernünftige Fruchtfolgen ein gehalten werden und der Maisanbau in bestimmten Regionen nicht überhandnimmt." Von Chancen und Risiken sprach Dr. Helmut Born. Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes sieht ein Flächenpotenzial von maximal etwa 3 Mio. ha für die Erneuerbaren Energien in Deutschland, vorausgesetzt, die fossilen Energien werden jährlich 2 bis 3 % teurer und die Effizienz im Ackerbau verbessert sich fortlaufend um etwa 1,5 bis 2 % pro Jahr. Heute würden bundesweit etwa 7000 Biogasanlagen Strom und Wärme erzeugen. Der Zubau stoße jetzt indes an eine Grenze. Als größte Gegner der Erneuerbaren bezeichnete Dr. Born die öffentliche Hand und die EU- Agrarpolitik. Seit 1992 hätten die deutschen Landwirte 820 ha durch Bebauung und Versiegelung verloren. Und jetzt fordere EU-Kommissar Ciolos auch noch 7 % Flächenstilllegung im Zuge der nächsten Agrarreform. "Setzt sich Ciolos durch, müssen wir in Zukunft zusätzlich 30 Mio. t Getreide in die EU importieren. Das ist doch Irrsinn."

    Reines Wunschdenken?

    In der Diskussion stand zum Teil Frustbewältigung auf dem Programm. Zahlreiche Industrievertreter halten das Ziel, bis 2050 80 % des Stromes aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, für Wunsch denken. Allgemeiner Tenor: Die erforderliche Biomasse steht nicht zur Verfügung, der Netzausbau kommt nicht voran, die stromintensive Wirtschaft in Deutschland wird den internationalen Wettbewerb nicht überleben. "Strom muss auch in Zukunft sicher und für die Mehrheit der Bevölkerung zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung stehen", brachte ein Teilnehmer die Stimmung auf den Punkt. Für unrealistisch halten Experten zum Beispiel das Ziel, in Deutschland bis 2020 zusätzlich 6 Mrd. m3 Bioerdgas pro Jahr zu erzeugen. Allein dafür benötige man zusätzlich 1 Mio. ha. "Wo soll die Fläche herkommen, wenn Berlin den Grund und Boden nicht besser schützt?", wollte ein Landwirt wissen. Die Staatssekretärin räumte ein, dass der Ausbau der Stromnetze und das Problem der Netzstabilität derzeit ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung stünden. Dazu habe die Koalition eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeleitet, für die Umsetzung benötige man jedoch einige Zeit. Strom und Wärme müssten für die Menschen bezahlbar bleiben, so die CDU-Politikerin weiter, deshalb wolle Berlin den Strom aus Biomasse, Wind und Sonne allmählich an den Markt heranführen, er dürfe nicht über lange Zeit hoch subventioniert werden, wie etwa der Solarstrom. Die Marktanreizprämie im neuen Einspeisegesetz schaffe dafür Anreize, sie werde bereits stark nachgefragt und genutzt.

    Wie teuer wird Strom?

    In welchem Umfang werden die Strompreise etwa für die Haushaltskunden bis 2020 oder 2030 steigen? Und kann Berlin die EEG-Umlage von 3,5 Cent wirklich stabil halten, wenn der Netzausbau und die anderen Maßnahmen zur Energiewende Milliardenbeträge verschlingen? Diese Fragen ließ Heinen-Esser offen. Nur eines gab die Staatssekretärin den Industrievertretern und Bauern ungerührt mit auf den Weg: "Wir haben keinen Plan B in der Schublade: Zum Beispiel wird es keine Rolle rückwärts beim Atomausstieg geben."
    Armin Asbrand

  • Herbsttagung 2011

    Herbsttagung 2011

     "Ernährung der Weltbevölkerung - auch ein deutsches Thema?", Münster-Hiltrup

    Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen-Lippe, 24. Oktober 2011

    Hunger geht uns alle an!

    Die Sicherung der Welternährung ist auch für Deutschland eine Frage großer Wichtigkeit / Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie

    Fast eine Milliarde Menschen weltweit leidet unter Hunger. Mangelernährt sind darüber hinaus sogar vier Milliarden. 32 Staaten waren im vergangenen Jahr auf Nahrungsmittelhilfe aus dem Ausland angewiesen. Angesichts solcher Zahlen wird schnell klar, dass Hunger und Armut kein "afrikanisches" oder "Dritte-Welt"-Problem ist. Ernährungssicherheit geht uns alle an, wie bei der Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie am Donnerstag der vergangenen Woche in Münster schnell deutlich wurde.

    Sicherheitspolitisches Risiko

    Die Beseitigung von Hunger und Armut ist für die meisten Mitmenschen zunächst einmal eine Frage der Nächstenliebe, der Gerechtigkeit oder des Anstands den Ärmeren gegenüber. Tatsächlich ist es aber so, dass politische Unruhen sehr häufig auch dadurch ausgelöst oder verschärft werden, dass die Bevölkerung nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt ist.

    Dr. Bettina Rudloff von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärte die im Grunde einfachen Wirkungsmechanismen: Schon eine spürbare Anhebung des Preisniveaus für Grundnahrungsmittel kann ausreichen, um bei den ärmeren Bevölkerungsschichten Ängste auszulösen oder tatsächlich einen Mangel hervorzurufen. Besonders schlimm wirken sich solche Dinge aus, wenn das politische System in dem betreffenden Land instabil ist oder sich im Umbruch befindet.

    Wenn die Versorgung größerer Teile der Weltbevölkerung nicht gesichert ist, ergeben sich daraus auch Risiken für Europa und Deutschland. Aus rein ökonomischer Sicht sind dies Handels- und Absatzunsicherheit, Investitionsrisiken und schließlich unkalkulierbare Nahrungsmittel- und Entwicklungshilfeausgaben. Politisch können daraus Migrationsdruck sowie umfangreiche Sicherheits- und Friedenseinsätze resultieren. Letztendlich ergäbe sich aber auch eine Glaubwürdigkeitskrise der Entwicklungs- und Nachbarschaftspolitik, so Dr. Rudloff.

    Um all das zu vermeiden, empfahl die Referentin der internationalen Gemeinschaft, sich verstärkt um Preisstabilität und Absatzmöglichkeiten zu bemühen, indem der freie Handel gefördert und die Zwangssubventionierung von Nachwachsenden Rohstoffen beendet wird. Außerdem sei es sinnvoll, sich verstärkt für eine Dämpfung der Agrarpreisvolatilität einzusetzen.

    Den Agrarsektor fördern

    Die Förderung des Agrarsektors ist die wirksamste Maßnahme zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in den wenig entwickelten Ländern. Darauf wies Dr. Marc Nolting von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in seinem Referat hin.

    Die Bedeutung des Agrarsektors schwinde in vielen Staaten - dabei müsse es eigentlich genau anders sein. Wichtig sei vor allem eine Steigerung der Produktion in den kleinbäuerlichen Betrieben, die 85 % aller landwirtschaftlichen "Unternehmen" ausmachten. Die Landwirtschaft müsse nachhaltig intensiviert, die Landwirte in regionale, nationale oder internationale Wertschöpfungsketten einbezogen werden. Dazu brauche es aber auch geeignete Rahmenbedingungen, die den Bauern die aktive Teilnahme am "Geschäft" ermöglichten.

  • Herbsttagung 2009

    Herbsttagung 2009

    AGRA-EUROPE 45/09, 2. November 2009

    Nutzung nachwachsender Rohstoffe ausreichend fördern

    Sowohl im energetischen als auch im stofflichen Bereich gibt es noch große Potentiale - Allerdings müssen noch vielfältige bürokratische und ordnungsrechtliche Hemmnisse beseitigt werden - Es fehlt noch immer an einem integrierten Gesamtkonzept für alle Nutzungsmöglichkeiten.

    DARMSTADT. Die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe wie Holz und anderer geeigneter Pflanzen ist in Bereichen der Chemie, der Baubranche oder der Verpackungsindustrie eine umweltverträgliche und wirtschaftlich sinnvolle Alternative zum Einsatz fossiler Rohstoffe. Das ist auf der diesjährigen Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) deutlich geworden, die Ende Oktober im Jagdschloss Kranichstein in Darmstadt stattfand. Die Beiträge aus Politik, Wissenschaft und Praxis machten laut VLI deutlich, dass in diesem Bereich noch erhebliche Potentiale in der Land- und Forstwirtschaft und in der Industrie genutzt werden können; dazu bestehe durchaus auch die Bereitschaft. Voraussetzung sei allerdings, neben der energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe, auch deren stoffliche Verwendung ausreichend zu fördern. Vor allem sei es erforderlich, noch vielfältige bürokratische und ordnungsrechtliche Hemmnisse zu beseitigen, erklärte die VLI. Letztlich fehle es nämlich noch immer an einem integrierten Gesamtkonzept für alle Nutzungsmöglichkeiten nachwachsender Rohstoffe, das angesichts der in Deutschland nur begrenzt zur Verfügung stehenden Fläche auch die widerstreitenden Interessen zum Naturschutz zu einem vernünftigen Ausgleich bringen müsse. Einzelaktionen wie der Aktionsplan der Bundesregierung oder die beabsichtigte Novelle des Waldgesetzes seien unzureichend.

    AgriFoodBusiness-Preis 2009

    Auch in diesem Jahr vergab die VLI auf ihrer Herbsttagung wieder ihren AgriFoodBusiness-Preis. Die Auszeichnung ging an Dr. Helga Andree und Hans Fabian Jacobi, beide aus Kiel für ihre gemeinsame Arbeit "Anlagenumfassende Überwachung des Biogasprozesses mittels Nahinfrarotspektroskopie". Der Direktor des Instituts für Agribusiness der Universität Gießen, Prof. Peter Michael Schmitz hob in seiner Laudatio hervor, dass sich hinter dem nicht leicht verständlichen Titel der prämierten Arbeit eine geglückte und seltene Kombination einer wissenschaftlichen, hier verfahrenstechnischen Untersuchung mit einer praxistauglichen innovativen Geschäftsidee verberge. Mit diesem Projekt könnten Zuverlässigkeit und Effizienz der für das Agribusiness sowie allgemein für die Strom- und Wärmeerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen immer wichtiger werdenden Biogasanlagen deutlich gesteigert werden. Mit dem Agribusiness-Preis will die VLI nach eigenen Angaben auf die Bedeutung des Wirtschaftszweiges Agribusiness aufmerksam machen, der von der Urproduktion bis zum Handel reicht und immerhin etwa 4,4 Millionen Beschäftigte zählt. Darüber hinaus sollen junge Menschen gefördert werden, die ihre berufliche Chance im Agribusiness sehen und die mit einer herausragenden wissenschaftlichen Arbeit oder mit einer innovativen Geschäftsidee einen Beitrag zur Weiterentwicklung dieses Wirtschaftszweiges leisten.

  • Frühjahrstagung 2009

    Frühjahrstagung 2009

    AGRA-EUROPE 19/09, 4. Mai 2009

    Agrarpolitischer Irrweg bei der Grünen Gentechnik

    VLI sieht das Verbot des Genmaises MON810 als falsches Signal - Ein Versuch Deutschland in einer global vernetzten Agrarwirtschaft als "gentechnikfreie Insel" zu erhalten - Abwanderung von Forschung und Produktion befürchtet

    AgE. KASSEL. Das von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner beschlossene Verbot des Anbaus der Genmaislinie MON810 sei als Einzelfallentscheidung sachlich nicht nachvollziehbar. Das hat die Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) kritisiert. Jahrelange umfangreiche Fachprüfungen auf europäischer wie auf deutscher Ebene hätten nicht die geringsten Bedenken gegen diese für die Maisproduktion sehr wichtige gentechnische Methode ergeben, erklärte die VLI nach ihrer jüngsten Frühjahrstagung, die ganz im Zeichen der kürzlich getroffenen Entscheidung von Ministerin Aigner stand. Der geradezu hilfslose ministerielle Hinweis auf "luxemburgische Wasserflöhe" ändere nichts an dieser Tatsache. Im Interesse der deutschen Agrarwirtschaft sei zu hoffen, dass die nun anstehende gerichtliche Entscheidung zumindest ab dem Landwirtschaftsjahr 2010 den Anbau von gentechnisch gestütztem Mais ermöglichen werde und damit weiteren Schaden von der Agrarwirtschaft abwende.

    Verlust an Wettbewerbsfähigkeit

    Die weitere Verfolgung dieses agrarpolitischen Irrweges würde dazu führen, dass Forschung und Produktion mit ihren Chancen und Möglichkeiten der Grünen Gentechnik im Pflanzenbau und Pflanzenschutz noch mehr als ohnehin schon geschehen Deutschland den Rücken kehren würden, gab die VLI zu bedenken. Dadurch würde die deutsche Agrarwirtschaft in dem bestehenden globalen Wettbewerb auf Dauer insgesamt ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Das könne agrarpolitisch ernsthaft nicht gewollt sein. Letztlich wäre diese Fehlentwicklung auch verantwortungslos und ethisch mehr als bedenklich, erklärte die VLI. Gegenwärtig hungerten weltweit fast 1 Milliarde Menschen und dies mit zunehmender Tendenz. Auch die Agrarwirtschaft und Agrarpolitik in Deutschland stünden in der Verantwortung, diesen inhumanen Zustand energisch zu bekämpfen. Angesichts der rasant zunehmenden WeItbevölkerung auf bis zu 9.5 Milliarden Menschen im Jahr 2050 bei einer bestenfalls in etwa gleich bleibenden nutzbaren Ackerfläche könne dieser Kampf nur gewonnen werden, wenn die landwirtschaftliche Produktivität also der Hektarertrag, auch in Deutschland deutlich gesteigert werde. Das wiederum setze neben der modernen Landtechnik sowie einem effizienten Pflanzen- und Düngemitteleinsatz zwingend auch die Nutzung der erheblichen Potentiale der Grünen Gentechnik voraus. Die VLI appellierte an die Verantwortlichen, die gegenwärtige gentechnikfeindliche Agrarpolitik aufzugeben und stattdessen den Weg frei zu machen für eine verantwortungsvolle Nutzung der großen Chancen und Vorteile, welche die Grüne Gentechnik biete, und das gemäß dem Grundsatz der Nachhaltigkeit und den Regeln guter landwirtschaftlicher Praxis. Es bleibe zu hoffen, dass die jüngste Entscheidung des Landwirtschaftsministeriums zur gentechnisch gestützten Kartoffel Amflora wirklich der Beginn einer Trendwende sei.

  • AgriFoodBusiness-Preis 2008

    AgriFoodBusiness-Preis 2008

    Agra-Europe 46/08, 10. November 2008

    AgriFoodBusiness-Preise 2008 verliehen

    Göttingen/ Berlin. Die Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) hat auch in diesem Jahr ihre beiden AgriFoodBusiness-Preise an Nachwuchskräfte dieser Branche verliehen. Wie der Deutsche Bauernverband (DBV) mitteilte, ist in der Kategorie "Wissenschaftliche Arbeit" Dr. Christian Willer der Gewinner für seine Arbeit "Marketing in Widerstandsmärkten - untersucht am Beispiel gentechnisch veränderter Lebensmittel". Den Preis in der Kategorie "Innovative Geschäftsidee" erhielt Dr. Julian Voss für seine Veröffentlichung "Customer Relationship Management im Agribusiness". Die Voss-Arbeit, die als Promotionsschrift am Lehrstuhl von Prof. Achim Spiller entstanden sei, habe laut Jury große Praxisrelevanz für die Branche und greife eine Forschungslücke in der agrarökonomischen Diskussion auf, erklärte die Universität Göttigen anlässlich der Auszeichnung. Die Hochschule berichtete weiter, der von dem Preisträger mit seiner Existenzgründung im Bereich Unternehmensberatung vollzogene Praxistransfer habe die Juroren überzeugt, wie der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Dr. Reinhard Grandke betont habe, der den Preis zusammen mit dem geschäftsführenden Vorstand der VLI und dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates der K+S AG, Dr. Ralf Bethke, verliehen habe.

    Der AgriFoodBusiness-Preis wird nach Mitteilung der Universität jährlich für erstklassige Studien- und Doktorarbeiten sowie dokumentierte Geschäftsideen aus Unternehmen und Verbänden vergeben, die nicht nur singuläre Innovationen zum Gegenstand haben, sondern das AgriFoodBusiness als Ganzes betrachten beziehungsweise die Verbindungen von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Dienstleistungen aufzeigen. Mit der Preisverleihung soll dem DBV zufolge die noch häufig unterschätzte volkswirtschaftliche Bedeutung des AgriFoodBusiness sowie die Notwendigkeit betont werden, das Image und auch die politischen Rahmenbedingungen dieses großen Wirtschaftszweiges zu verbessern. Ein wichtiger Teilschritt auf diesem Weg ist nach Verbandsangaben die öffentlich wahrnehmbare Förderung junger Menschen, die mit Recht ihre berufliche Chance in dieser Branche sehen. Die AgriFoodBusiness-Preise werden laut Informationen des DBV auch im kommenden Jahr vergeben.

  • Herbsttagung 2008

    Herbsttagung 2008

    Agra-Europe 46/08, 10. November 2008

    Ludwigshafen. Während der inzwischen fast zwei Jahrzehnte, in denen Grüne Gentechnik weltweit eingesetzt worden sei, habe es nicht einen einzigen Fall gesundheitlicher Schädigung oder Beeinträchtigung gegeben. Daher seien entsprechende Befürchtungen in der Bevölkerung unbegründet. In dieser Feststellung waren sich Vertreter von Politik, Agrarwirtschaft, Industrie und Handel einig, die Ende Oktober an der Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) in Ludwigshafen teilnahmen.

    Bei der Veranstaltung wurde insbesondere die Frage erörtert, ob und unter welchen Bedingungen die Potenziale der Gentechnik in der Agrarwirtschaft genutzt werden sollten. Wie die Verbindungsstelle anschließend mitteilte, ist es unbedingt erforderlich, die Öffentlichkeit über dieses Thema verbessert sachlich zu informieren, unterstützt durch weitere Forschungsarbeit. Eine Koexistenz zwischen gentechnisch gestützter und gentechnikfreier Agrarwirtschaft sei durchaus möglich; allerdings müssten in Deutschland die geltenden Regelungen für die Agrarproduktion bis hin zur Kennzeichnung von Lebensmitteln deutlich verbessert werden.

    Die VLI wies darauf hin, dass in den kommenden Jahrzehnten weltweit bis zu 9,3 Milliarden Menschen ernährt werden müssten. Ohne gezielten sinnvollen Einsatz der Grünen Gentechnik werde die dafür notwendige erhebliche Ertragssteigerung auf der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Ackerfläche von etwa 2,8 Milliarden Hektar nicht möglich sein. Das gelte auch für die deutsche Agrarwirtschaft, die ohne die praktische Anwendung der Gentechnik ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren würde und dann zwangsläufig ihre volkswirtschaftliche Aufgabe nicht mehr erfüllen könne.